Spannendes Mutter-Tochter-Gefecht

• USA 2020
• Regie: Aneesh Chaganty
• Laufzeit: 89 Minuten
Handlung: Chloe ist 17 Jahre alt und an den Rollstuhl gefesselt. Da sie neben einer chronischen Lähmung auch noch an anderen Krankheiten wie Asthma und Diabetes leidet, wird sie von ihrer alleinerziehenden Mutter Diane zu Hause unterrichtet. Die Zeit des Homeschoolings geht allerdings ihrem Ende entgegen, denn Chloe beginnt bereits, sich auf Studienplätze an Universitäten zu bewerben. Vordergründig scheint ihre Mutter damit einverstanden. Insgeheim – das sagt ja bereits der deutsche Beititel – will sie ihre Tochter aber keineswegs aus dem eigenen Zugriff hergeben. Chloe kommen Zweifel an der mütterlichen Fürsorge.
Besprechung: Wer etwas länger und intensiver im Horror- und Thriller-Genre unterwegs ist, wird die hier erzählte Geschichte nicht rasend originell finden. Wirklich ausgelutscht ist der Stoff allerdings auch nicht, und oft geht es im Grusel- und Spannungs-Metier ja auch mehr um das „Wie“ als um das „Was“. Und da hat „Run“ ein paar Trümpfe in der Hand. Sarah Paulson (bekannt zum Beispiel aus den Serien „The Bear“ oder „American Horror Story) ist immer eine Bank und kann auch hier als so schlaue wie passionierte Mutter überzeugen. Sie spielt das Abgründige ohne Pathos und Manierismen und schafft durch den Verzicht auf Effekthascherei eine vielschichtige und glaubhafte Figur. Kiera Allen als von Krankheiten gezeichnete Tochter kann da erstaunlich gut mithalten. Die von ihr gespielte Chloe wirkt einerseits etwas weltfremd und durch ihre Krankheiten verständlicherweise eingeschränkt, andererseits intelligent und durchaus wehrhaft genug, um es mit der „Fürsorge“ ihrer Mutter aufzunehmen.
Neben den beiden tollen Darstellerinnen kommt dem Film seine schlanke Laufzeit zugute. Langweilig wird es nie. Nach einer Exposition, die genau die richtige Länge hat, nimmt die Geschichte Fahrt auf und bietet einige spannende Sequenzen, die sich angenehm natürlich ergeben und insgesamt nicht zu überzogen wirken. Dabei legt der Film seinen Schwerpunkt mehr auf Spannung und Nervenkitzel als auf Horror, Schrecken oder Ekel. So betrachtet handelt sich bei „Run“ eher um einen „Mystery Thriller“ (deutschsprachige Wikipedia) als um einen „psychological Horror-Thriller“ (englischsprachige Wikipedia). Allerdings hat Chloes Situation etwas Alptraumartiges und lässt manchmal an „Misery“ (1990) denken.
Dass der Film mit Rob Reiners großartiger Stephen King Adaption nicht mithalten kann, liegt letztlich weniger an der geringeren Originalität als an ein paar Drehbuchentscheidungen. So wirkt die „Aufdeckung der schrecklichen Wahrheit“ etwas unbeholfen und das Finale gerät nicht mehr ganz so packend wie einige Sequenzen davor. Auch sollte man über die letzte Szene nicht nachdenken, weil sie sonst eher als etwas aufgesetzter Effekt enttarnt werden könnte. Letztlich fehlt auch eine krasse Szene wie der Hammerschlag in „Misery“, um aus einem soliden (Horror-)Thriller einen herausragenden zu machen.
Insgesamt ist das aber ein ordentlich inszenierter, stark gespielter, kurzweiliger Film, der thematisch nicht so tief in die Materie eindringt, dass es richtig unangenehm wird, der aber auch nicht oberflächlich und blöd wirkt. Die Filmmusik von Torin Borrowdale passt da sehr gut: nicht außergewöhnlich oder besonders originell, aber durchaus wirkungsvoll und stimmig. „Run“ ist ein überzeugender, wenn auch nicht rundum mitreißender Film.
Trivia: Nach dem Thriller „Searching“ (2018) ist „Run“ der zweite Langfilm des Regisseurs Aneesh Chaganty. Er wurde am Muttertag (8. Mai)
auf der Streaming-Plattform „HULU“ veröffentlicht.
Der Film spielt in der Stadt Pasco im US-Bundesstaat Washington, wurde aber in Manitoba in Kanada gedreht.
Kiera Allen ist im echten Leben seit 2014 auf einen Rollstuhl angewiesen. So konnte sie die Rollstuhlfahrerin Chloe besonders authentisch spielen. Regisseur Chaganty und die ProduzentInnen
Natalie Qasabian und Sev Ohanian fanden es wichtig, eine Schauspielerin mit Behinderung zu casten und erklärten im Variety Magazine, dass das in Hollywood leider nur selten passiere. Tatsächlich
gilt „Run“ seit dem Remake von „Das Fenster zum Hof“ (1998) als erster Hollywood-Thriller, in dem eine rollstuhlfahrende Person eine Hauptrolle spielt.
Die Apothekerin im Film heißt Kathy Bates, was eine Anspielung auf den Film „Misery“ ist. Dort spielt die Schauspielerin Kathy Bates die weibliche Hauptrolle.
IMDB: 6.7 von 10
Letterboxd-Rating: 3.2 von 5
Hopsy-Rating: 3 von 5
// HOPSYS GEDANKEN
Folgt.
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