Satirischer Horrorfilm über den ganz alltäglichen Rassismus

• USA 2017
• Regie: Jordan Peele
• Laufzeit: 104 Minuten
Handlung: Chris ist seit vier Monaten mit Rose zusammen und besucht nun zum ersten Mal ihre wohlhabenden Eltern in einer Villa irgendwo im Nirgendwo. Rose ist weiß und Chris ist schwarz, aber das ist ja heutzutage unter liberalen Leuten kein Thema mehr. Die netten Eltern erzählen auch gleich bei der Begrüßung, dass sie Obama gewählt haben. Chris hat dann aber bald doch das Gefühl, dass seine Hautfarbe sehr wohl eine Rolle spielt. In welchem Maße wird ihm aber erst bewusst, als er sich längst in großer Gefahr befindet.
Besprechung: Das ist der starke Erstling von Jordan Peele, der danach mit „Wir“ und „Nope“ nachlegte. Der faszinierende Score von Michael Abels
aber auch Soundtrack und Sounddesign sind super komponiert beziehungsweise ausgewählt und zählen zu den großen Stärken des Films. Eine weitere Stärke ist Hauptdarsteller Daniel Kaluuya („Black
Panther“, „Nope“), der den sympathischen Chris mit großer Intensität und Plausibilität verkörpert. Auch die anderen Darsteller*innen sind klasse. Nicht zuletzt Allison Williams („The Perfection“,
„M3GAN“) als Rose und Caleb Landry Jones („Dogman“, „Dracula“) als deren verhaltensauffälliger Bruder.
In der ersten Hälfte erzeugt der Film eine anfangs peinliche, dann ungemütliche und schließlich bedrohliche Atmosphäre durch Sequenzen, in denen die Grenzen zwischen „ach, das ist ja nicht so
schlimm“ und „habe ich das wirklich gerade gehört?“ ebenso verschwimmen, wie zwischen Alltagsrealität und dem Ungewöhnlichen. Dabei setzt „Get Out“ wenig auf Horror-Stereotype, sondern
präsentiert originelle Ideen und Szenen (Teetasse, Bingo, sprintender Gärtner, „der versunkene Ort“). Auch finden sich immer wieder satirische Momente über den alltäglichen Rassismus in den USA,
gerade bei denen, die sich für fortschrittlich halten. Der Übergang vom Noch-irgendwie-Lustigen zum Ganz-und-gar-nicht-Lustigen ist eine weitere Stärke des Films. Im Gedächtnis bleiben mir vor
allem die gequälten Gesichtsausdrücke von zwei Charakteren in dem Film, die nicht das sind, was sie auf den ersten Blick zu sein scheinen.
Nach hinten raus fährt der Film dann horrortypische Gewalt auf und hält leider nicht mehr ganz das, was die ersten beiden Drittel verheißen haben. Denn jetzt geht es nach bewährter Formel weiter
und zu Ende, was völlig okay ist, aber im Kontext des Films doch ein wenig enttäuschend. Dennoch bewahrt sich der Film sein Potenzial, ausgiebig diskutiert und interpretiert zu
werden. Auch lohnt es sich, den Film mehr als einmal zu sehen und über die Hintergründe zu lesen und nachzudenken.
Trivia: Jordan Peele, der durch einen Sketch aus „Eddie Murphy: Delirious“ zu „Get out“ inspiriert wurde, schreib auch das Drehbuch für „Get Out“
und gewann dafür einen Oscar. Als erster schwarzer Filmemacher.
Peele erklärte bei der Verleihung des Oskars, dass er mehr als 200 Entwürfe des Drehbuchs verfasst habe, bevor er die richtige Version fertig hatte. Während des Schreibens am Drehbuch zog Peele
einiges an Inspiration in Hinblick auf Tonalität und Stil aus der britischen TV-Serie „Psychoville“ (2009). Die Hauptrolle in der Serie spielte Daniel Kaluuya.
Laut Peele ist der Titel seines Films auch eine Referenz an die Ausrufe, die er öfter in Kinos beim Gucken von Horrorfilmen aus dem Mund von schwarzen Zuschauer*innen hörte. In „Get Out“ sagen
die Charaktere Rod und Andrew jeweils zu Chris: Get Out!
Die Eröffnung des Films ist stark inspiriert vom Beginn von Klassiker „Halloween“ (1978), dessen Einstieg Peele als böse Parodie der perfekten, rein weißen Nachbarschaft ansieht.
Wer darauf achtet, bemerkt, dass die Todesarten im Film nicht zufällig sind, sondern einer „epischen Gerechtigkeit“ gehorchen. Jede und jeder bekommt in gewisser (metaphorischer) Weise was sie
oder er verdient.
IMDB: 7.8 von 10
Letterboxd-Rating: 4.1 von 5
Hopsy-Rating: 4 von 5
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