· 

Sleep

Interessanter Genremix übers Schlafwandeln in der Ehe

Südkorea 2023

 Regie: Jason Yu     

 Laufzeit: 95 Minuten

 

Handlung: Soo-jin Ehemanns Hyun-su beginnt vom einen Tag auf den anderen im Schlaf zu sprechen. Aufrecht im Bett sitzend sagt er „Jemand ist drinnen“. Von da an beginnt er zu schlafwandeln und wird nachts zu einer Person, die sich nach dem Aufwachen nicht daran erinnern kann, rohes Fleisch aus dem Kühlschrank gefuttert zu haben. Als es trotz Schlaftherapie schlimmer wird, nehmen auch Soo-jins Ängste zu. Immerhin ist sie schwanger und das Verhalten ihres Mannes zunehmend bedrohlich.

 

Besprechung: In der englischsprachigen Wikipedia wird der Film als „black comedy horror mystery thriller“ bezeichnet, was ziemlich gut passt. Vor allem, wenn man noch ein „drama“ hinzufügt, denn im Finale enthält der Film auch Elemente dieses Genres. Erstaunlich ist dabei, wie gut die verschiedenen Ansätze zusammenpassen. Vermutlich liegt das vor allem an den starken Darsteller*innen. Jung Yu-mi, die hier die Ehefrau spielt, ist bekannt aus Filmen wie „Train to Busan“ oder „Manhole“. Lee Sun-kyun, der den schlafwandelnden Ehemann darstellt, ist zum Beispiel auch in „Parasite“ oder im Katastrophenfilm „Project Silence“ zu sehen. Die beiden in Südkorea gefeierten Stars können ihren Rollen viele zarte, komische und auch dramatische Töne abgewinnen. Die von ihnen verkörperten Eheleute wirken natürlich und glaubhaft, sind nahbar, sympathisch und auch ein bisschen lustig. 



 

Eine weitere Stärke des Films ist seine feinsinnige und unaufdringliche Ästhetik. Die Farbgebung ist geschmackvoll, die Kameraarbeit weiß die wenigen Settings des Films gut einzufangen und an den richtigen Stellen Dynamik einzubringen. Davon abgesehen hat der Film keine großen Schauwerte: Auf Action, Blutfontänen, eindrucksvolle Kulissen oder spektakuläre Monster muss man verzichten.

 

Stattdessen wird eine kleine, doppelbödige Geschichte erzählt, in der sich das Unbehagen in den Alltag zweier junger Eheleute einschleicht. Leider sind die Horrorelemente des Films diejenigen, die für mich am wenigsten gut gelungen sind. Nicht, dass sie totaler Murks wären, aber richtig gruselig, bedrohlich oder verstörend fies wird es eigentlich kaum. Und die schwarzhumorigen oder tragischen Elemente funktionieren eben besser. Auch wirken die Gruselmotive trotz der grundsätzlich originellen Geschichte teilweise etwas stereotyper als der Rest. Zwar kann man das am Ende auch in einem anderen Licht sehen, aber bis dahin wurde man horrortechnisch nun einmal nicht gerade vom Hocker gerissen.

Das ist ein sehr gut gespielter und sympathischer Film, der mit wenig Schauwerten und viel Stilgefühl eine in drei Teilen präsentierte Geschichte erzählt, die interessant, aber nicht besonders unheimlich ist. Am besten sieht man ihn als so dunkle, wie warmherzige Komödie. In dem Kontext wiederum dürften 1-2 Sequenzen des Films dann ziemlich krass wirken.

 

Trivia: „Sleep“ ist das Debüt von Regisseur und Drehbuchauutor Jason Yu.

Inspiriert wurde Yu durch eine creepypasta namens „Das russische Schlafexperiment“, auf die er im Internet stieß. Ermutigt, sein Skript auch zu verfilmen, wurde Yu durch den bekannten südkoreanischen Regisseur Bong Joon-Ho (u.a. „The Host“, „Snowpiercer“, „Parasite“ und „Mickey 17“). Jason Yu arbeitete als dessen Assistent während des Drehs zum Abenteuerfilm „Okja“ und präsentierte ihm in dieser Zeit sein „Sleep“-Drehbuch.

Eine andere Inspirationsquelle nannte Yu seine Gefühle und Überlegungen in Bezug auf seine eigene bevorstehende Ehe.

Der Film erhielt sehr gute Kritiken, gewann ein paar koreanische Auszeichnungen und nahm am internationalen Filmwettbewerb in Cannes teil.

Hauptdarsteller Lee Sun-kyun nahm sich im Dezember 2023 im Alter von 48 Jahren das Leben.

 

IMDB: 6.6 von 10

Letterboxd-Rating: 3.4 von 5                                                                                                      

Hopsy-Rating: 3 von 5

 

// HOPSYS GEDANKEN

 

Das sogenannte Schlafwandeln zählt zu den Parasomnien. Dabei handelt es sich um eine Gruppe von Schlafstörungen, bei denen es zu unerwünschtem Verhalten kommt. Das können wiederkehrende, belastende Alpträume, unangenehmes Zucken beim Einschlafen, Schlafparalyse oder auch pavor nocturnus. Der pavor nocturnus oder Nachtschreck ist besonders unangenehm und tritt nicht selten zusammen mit dem Schlafwandeln auf. Das Symptom des Nachtschreck ist ein plötzliches Hochfahren aus dem Tiefschlaf. Die Betroffene kann dann unter Herzrasen, Schweißausbrüchen und Angstzuständen leiden, ohne sich bewegen, orientieren oder mitteilen zu können. 

Das Schlafwandeln, in der Fachsprache als Somnambulismus bezeichnet, ist oft weniger furchteinflößend. Der betroffene Mensch richtet sich im Schlaf auf, verlässt in der Regel das Bett, geht umher und verrichtet unter Umständen Tätigkeiten, ohne sich dessen bewusst zu sein. Solche Vorfälle dauern meist nur wenige Minuten. Anderntags kann sich eine Schlafwandlerin nicht daran erinnern, was sie getan hat.

Laut dem aktuellen Forschungsstand handelt es sich beim Schlafwandeln um eine Störung des Aufwachmechanismus. Während die meisten Menschen mehrmals in der Nacht kurz aufwachen, sich rumdrehen und wieder einschlafen, können von Somnambulismus Betroffene offenbar aufwachen, ohne wach zu werden, und in einer Art Dämmerzustand gewissen Aktivitäten nachgehen. Somnambulismus tritt nur in Tiefschlaf-Phasen auf, nicht in den Traumphasen, die auch als REM-Schlaf bezeichnet werden, weil sich dann die Augen schnell bewegen (rapid eye movement phase, kurz REM).

Begünstigt wird die Neigung zum Schlafwandeln zum einen durch eine genetische Veranlagung (sind beide Eltern Schlafwandler ist die Neigung zum Schlafwandeln bei deren Kindern signifikant höher), zum anderen durch eine vorhergehende Zeit des Schlafmangels. Oft berichten Betroffene von Stress und emotionalen Belastungen im Vorfeld einer Phase des Schlafwandelns. Schließlich können auch das Schlaf-Apnoe-Syndrom sowie starker Konsum von Koffein, Alkohol, Schlafmitteln oder Antipsychotika die Neigung zum Schlafwandeln begünstigen. All die genannten Faktoren behindern nämlich die Nicht-REM-Schlafphase, also den eigentlichen Tiefschlaf.   

Wie viele Menschen mindestens einmal in ihrem Leben schlafwandeln, kann nur geschätzt werden. Kinder und Jugendliche scheinen eindeutig häufiger betroffen als Erwachsene. Eine im Netz verbreitete Angabe spricht von 15 Prozent der Fünf- bis Zwölfjährigen. Eine 2016 publizierte wissenschaftliche Übersicht über 51 Studien nennt allerdings deutlich niedrigere Zahlen: Demnach lag die Lebenszeit-Prävalenz bei 6.9 Prozent, was heißt, dass laut der vorliegenden Studien im Laufe des Lebens knapp sieben Prozent der Bevölkerung mindestens einmal schlafwandelt. In Bezug auf die Jahresprävalenz ergab die Übersicht, dass in den letzten zwölf Monaten fünf Prozent der untersuchten Kinder und 1.5 Prozent der Erwachsenen geschlafwandelt waren.    

Bei milden (sogenannten unvollkommenen) Formen setzt sich der Betroffene lediglich im Bett auf und redet vielleicht ein bisschen und schaut sich um, ohne dabei in einem bewussten Zustand zu sein. Das vollumfängliche Schlafwandeln führt dazu, dass die Betroffene das Bett verlässt und Dinge tut. Das ist generell harmlos, beinhaltet aber ein gewisses Risiko aus Versehen sich oder andere zu verletzen. Schließlich gibt es noch eine seltene Verlaufsform, bei der die Betroffenen gewalttätig werden können und zum Beispiel Menschen angreifen, die in ihrer Nähe sind und ihnen helfen oder sie wecken wollen. Ob es sich bei dieser aggressiven Verlaufsform um Schlafwandeln oder in jedem Fall um eine REM-Schlaf-Verhaltensstörung handelt, ist umstritten. Auch wenn es wie aus einem Horrorfilm klingt – tatsächlich gibt es sehr selten Fälle, in denen ein Mensch, einen anderen im Schlaf tötet. Bekannt ist der Fall von Kenneth Parks aus Toronto, der im Alter von 23 Jahren in einer Nacht im Mai 1987 aufstand und mit dem Auto 23 Kilometer weit zu seinen Schwiegereltern fuhr. Den Schwiegervater verletzte Parks mit einer Brechstange, die Schwiegermutter erstach er mit einem Küchenmesser. Als er wieder im Wagen saß, wachte er vollständig auf und fuhr zur Polizei, wo er ein verwirrtes Geständnis abgab. Ein schlafmedizinisches Gutachten bewies schließlich, dass er zur Tatzeit schlafgewandelt hatte und deshalb unzurechnungsfähig war. Tatsächlich wurde Kenneth Parks aufgrund dieses Gutachtens 1992 freigesprochen, obwohl er nachweislich die beiden Taten begangen hatte. Diese und weitere im schlafähnlichen Zustand begangene Verbrechen schildert dieser Artikel aus dem Guardian.

 

 

 

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0