Hommage an Horrorfilme der frühen 1980er

• USA 2015
• Regie: Ted Geoghegan
• Laufzeit: 84 Minuten
Handlung: Im Jahr 1979 ziehen Anne und Paul Sacchetti nach dem tragischen Unfalltod ihres Sohnes in ein Landhaus in Neu England. Dort wollen sie etwas Abstand gewinnen und einen Neubeginn versuchen. Aber natürlich fühlt Anne die Präsenz des toten Bobby in der stillen Einsamkeit der verschneiten Landschaft umso stärker. Außerdem scheinen irgendwelche Wesen im Keller des alten Hauses umzugehen, über das die Nachbarn schaurige Geschichten zu erzählen wissen. Anne lädt ein befreundetes Paar ein, dass sich für Esoterik interessiert. Zusammen will man dem dunklen Geheimnis des Ortes auf den Grund gehen.
Besprechung: Das ist ein besonderer Film: Obwohl er mit einem übersichtlichen Budget von 1,6 Millionen Dollar im Jahr 2015 gedreht wurde,
entschied sich Regisseur und Drehbuchautor Ted Geoghegan („Mohawk“, „Brooklyn 45“) dafür, die Geschichte im Jahr 1979 spielen zu lassen. Historische Filme sind fast immer etwas
teurer zu drehen, da man die entsprechende Ausstattung benötigt. Und sie sind sehr wahrscheinlich keineswegs gewinnbringender, weil das Kino- und Streaming-Publikum sich – meiner Vermutung nach –
lieber mit Menschen im Hier und Jetzt auseinandersetzt und identifiziert. „We are still here“ will aber eine Hommage an Filme der späten 1970er und frühen 1980er sein, und hat
dabei vor allem zwei sehr unterschiedliche Filme als Vorbild: „The Changeling“ (1980) und „Das Haus an der Friedshofmauer“
(1981). Während das eine ein psychologischer und subtiler Geisterhausfilm ist, ist der Klassiker von Lucio Fulci neben aller assoziativen Alptraumlogik stark an saftigen Splattereffekten
interessiert. „We Are Still Here“ huldigt vor allem Letzteren. Da er aber wie „The Changeling“ einsteigt, kann man sagen, dass er beide Filme und so zwei Subgenres mit jeweils ziemlich
anderen Regeln miteinander verbindet. Dabei kann Geoghegan mit Barbara Crampton in der weiblichen Hauptrolle auf eine Ikone des 1980ers Horrors zurückgreifen. Crampton
spielte sich in kultigen Filmen wie „Re-Animator“ (1985), „From
Beyond“ (1986) oder „Puppet Master“ (1989) mit ihrer Mischung aus liebenswerter Unschuld und verruchter femme fatale in die Herzen der (männlichen) Fans. Hier gibt sie sich in
der Rolle der Anne zurückhaltend, ernst und womöglich klinisch depressiv (und dabei, wie ihr Mann, dem Alkohol zugetan). Sie liefert eine solide darstellerische Leistung ab, zu viel sollte man
allerdings nicht erwarten.
„We Are Still Here“ ist von seinem kleinem Budget und nicht allzu großem Talent geprägt. Die elektronische Ambient-Musik von Wojciech Golczewski ist tatsächlich originell, aber
die Kameraarbeit ist bestenfalls Mittelmaß, auch wenn sie ein paar schöne Bilder abwirft. Der Schnitt erinnert an die weniger guten Filme der 1970er und 1980er, wirkt also etwas beliebig und
sorgt dafür, dass der mit 84 Minuten angenehm kurze Film dennoch seine Längen hat. Mal ist eine Einstellung viel zu lang, mal eine Szene oder eine ganze Sequenz überflüssig oder
zumindest zu breit ausgewalzt. Auch Dialoge und Darsteller*innen sind nicht über jeden Zweifel erhaben, gerade in der zweiten Hälfte tendiert der Film manchmal etwas in Richtung
Schmierentheater.
Trotzdem hatte ich insgesamt meinen Spaß mit „We Are Still Here“, was einmal an der originellen Genre-Mischung, dann auch an den gut eingefangenen Horrorfilm-Vibes
vergangener Tage und schließlich an einigen saftigen praktischen Effekten liegt. Die Freude am Genre ist den Machern auf jeden Fall anzumerken, und auch das Bemühen, aus
den geringen Ressourcen doch einen ordentlichen und abwechslungsreichen Film zu machen. Dabei ist kein „The Changeling“ und auch kein „Das Haus an der Friedhofsmauer“ herausgekommen, aber
immerhin ein Streifen, der so wirkt als stamme er wirklich aus dem Jahr 1979 und man hätte ihn als Teenager im Keller des Elternhauses als Kopie einer Kopie einer Kopie auf
VHS-Kassette gesehen. Und durchaus beeindruckend gefunden.
Trivia: Bei dem Film handelt es sich um Ted Geoghegans Debüt. Vorher hatte er schon als Drehbuchautor und Produzent bei günstigen und absichtlich etwas fadenscheinigen B-Movies wie „Nikos the Impaler“, „Slasher“ oder „Barricade“ mitgewirkt.
Der in die späten 1970er und frühen 1980er verweisende Synthie-Score stammt von Wojciech Golczewski, der vor allem für Horror- und SF-Filme sowie Computerspiele die Musik
komponiert. Laut eigener Aussage wollte Golczewski für den Film einen „schaurig-organischen“ Score schaffen, der sich nicht an Stücken aus traditionellen Horrorfilmen orientiert und eine
Atmosphäre schafft, in der das Haus wie ein Lebewesen wirkt.
Um die Kosten niedrig zu halten, besorgte das Filmteam die Kostüme in einem Second-Hand-Laden und ließ sich die Oldtimer-Autos von Einheimischen im Drehort Shortsville leihen.
Die „B&J“ Whiskeymarke im Film ist fiktiv und sicher eine Anspielung auf den tatsächlich existierenden „J&B“ Scotch, der während der 1970er und 1980er häufiger in
italienischen Horror und Exploitationfilmen eingeschenkt und getrunken wurde.
Lovecraft-Fans, hören im ersten Drittel des Films die Erwähnung „einer Universität in Essex County“ und denken natürlich sofort an die fiktive Miskatonic University aus dem literarischen Kosmos
des Autors. Und wer während des Abspanns weiterschaut, entdeckt noch Hintergrundinfos zur Geschichte und bekommt eine Bonus-Szene, die eindeutig eine "The Changeling" Reminiszenz
ist.
IMDB: 5.7 von 10
Letterboxd-Rating: 2.9 von 5
Hopsy-Rating: 3 von 5
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