Asiatischer Eintopf der Abscheulichkeiten

• Hongkong 1996
• Regie: Herman Yau
• Laufzeit: 100 Minuten
Handlung: Der Koch Kai San kennt keine Hemmungen. Er schläft mit der Frau seines Chefs, wird von diesem und dessen Handlanger ertappt und bringt im folgenden Handgemenge alle drei um. Anschließend versucht er, die minderjährige Tochter seiner Affäre in Brand zu setzen. Um der Justiz zu entgehen, flieht Kai San nach Südafrika, vergewaltigt dort eine schwerkranke Frau und infiziert sich dabei mit Ebola. Das hält den lebensfrohen Psychopathen natürlich nicht davon ab, weiterhin Frauen nachzustellen.
Besprechung: Die Inhaltsbeschreibung lässt es bereits erahnen: Das ist kein Film, den man an der örtlichen Waldorfschule zum Sommerfest zeigen
sollte. „Ebola Syndrome“ zählt zu den bekanntesten und widerwärtigsten Vertretern von Hongkong-Filmen der sogenannten „Category 3“, also nicht jugendfreie Filme, unter denen sich gezielte
Provokationen und grenzüberschreitende Streifen wie „Dream Home“ oder der berüchtigte „Men Behind the Sun“ befinden. Ebola Syndrome ist vom Genre her gar nicht leicht einzuordnen. Ich habe mich
nach dem Gucken gefühlt, als hätte ich gerade „Bad Taste“, „Der New York Ripper“, „Outbreak“ und „Plattfuß am Nil“ gesehen. Gleichzeitig. Ist das eine extrem geschmacklose Komödie? Ein
Nerventest? Ein Fetischfilm für polymorph Perverse? Drehbuchautor Ting Chau knallt einem mit Kai San als Hauptfigur ein gemeingefährliches – und von Anthony Wang so glaubhaft wie sonderbar
charismatisch gespieltes – Arschloch vor den Latz, das in den ersten sieben Minuten bereits so auf den Putz haut, dass man den Film dann entweder bereits abgeschaltet hat oder diesem Wahnwitz
verfallen ist. Ebola Syndrome nimmt keine pädagogischen oder moralischen Einordnungen vor und interessiert sich nicht für psychologische Herleitungen. Hier regiert die Freude am Tabubruch.
Dabei ist dieser Exploitation-Film handwerklich überdurchschnittlich gut inszeniert. Gerade die Filmmusik hat mir sehr gut gefallen, aber auch die Kameraarbeit, die unterschiedlichen
Schauplätze und die Spezialeffekte können sich sehen lassen. Die Schauspielkunst ist nicht Weltklasse, aber zumindest Anthony Wong schafft es, den Protagonisten perfekt in der Balance zwischen
albern und bedrohlich, abstoßend und faszinierend zu halten. Er – und der ganze Film – sind der Autounfall, bei dem man nicht weggucken kann.
Im letzten Drittel zieht sich „Ebola Syndrome“ in meinen Augen ein wenig. Der Film, der von Beginn an Gas gibt, kann sich nicht mehr steigern. Man beginnt abzustumpfen und will eigentlich nur,
dass Kai San endlich richtig aufs Maul bekommt. In der Hinsicht wird der Zuschauer dann allerdings eher enttäuscht.
Einen sozialkritischen Subtext oder irgendeine Art von Botschaft hat dieser Film nicht. Hier wird das Abstoßende um seiner selbst willen gezeigt. Das kann man natürlich für schädlich, moralisch
falsch und verdammenswert halten. Man kann es auch ansehen und schauen, was es mit einem macht. Denn das ist in meinen Augen das Interessante an fiktiven Werken aus dem Edgelord-Segment: die
Möglichkeit zur Selbsterkundung. Dass da nicht jede und jeder mitmachen will, versteht sich von selbst.
Unter all den Triggern, die der Film potenziell bereithält, möchte ich nur einen erwähnen: In einer Küchenszene wird ein Frosch getötet.
Trivia: Die Idee zum Film basiert einerseits auf einer Reihe von reißerischen Geschichten über einen Ebola-Ausbruch in der Demokratischen
Republik Kongo – genauer gesagt in Kikwit – von Januar bis Juni 1995. Andererseits ist „Ebola Syndrome“ auch deutlich inspiriert durch den Exploitation-Film „The Untold Story“ (1993), bei dem es
sich ebenfalls um einen CAT-3-Film handelt. „The Untold Story“ widmet sich dem wahren Fall der „Pork Bun Murders“ aus dem Jahr 1986 in Macau, bei dem zehn Menschen starben und der aufgrund der
völligen Zerstückelung der Opfer zu Gerüchten über Kannibalismus im Stil urbaner Legenden führte.
Auch Hongkong ist für Filmemacher*innen kein Ort der unbegrenzten Möglichkeiten. Die Zensur entfernte zwei Minuten aus dem Film, die als zu widerlich und extrem betrachtet wurden. Das
geschnittene Material findet sich nur auf der US special edition DVD und soll angeblich vom Regisseur selbst als „zu drüber“ und „unnötig“ bezeichnet worden sein.
Während der Film auf rotten tomatoes nur 20 Prozent der Kritiker*innen zu positiven Bewertungen motivieren konnte und an den Kinokassen floppte, erfreut er sich beim Publikum deutlich besserer
Resonanz, wie auch die Bewertungen auf IMDB und letterboxd zeigen.
IMDB: 6.5 von 10
Letterboxd-Rating: 3.4 von 5
Hopsy-Rating: 3 von 5
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Steffelowski (Dienstag, 29 Juli 2025 22:29)
Solche abseitigen Filme reizen mich immer ganz besonders. Was läuft da bloß verkehrt bei mir ….? �