Faszinierender Mix aus Drama, finsterem Humor und ultrahartem Slasher

• Hongkong 2010
• Regie: Pang Ho-cheung (auch bekannt als Edmond Pang)
• Laufzeit: 96 Minuten
Handlung: Schon als Kind sehnte sich Cheng Lai Sheung nach einer richtig guten Wohnung mit Meerblick. Als Erwachsene hat sie zwei Jobs, um genug Geld für ihren Lebenstraum anzusparen. Dabei denkt sie ursprünglich nicht nur an sich, sondern auch an andere Familienmitglieder. Die raue kapitalistische Welt Hongkongs stellt sich allerdings zwischen Sheung und ihren Traum. Die junge Frau ist aber nicht bereit, aufzugeben.
Besprechung: Das ist ein verblüffender Film. Edmond Pang gelingt hier eine Mischung aus Drama, schwarzhumoriger Darstellung sozialer Verhältnisse
und beinhartem Slasher, der gerade in der ungeschnittenen Fassung (nur echt mit abgetrenntem Glied) so ziemlich alles hinter sich lässt, was aus westlicher Produktion vor „Terrifier“ als
Slasher in die Kinos kam. Zusammengehalten wird der irre Mix durch eine ästhetisch sehr ansprechende Kinematographie und die Hauptdarstellerin Josie Ho (eigentlich
Josephine Ho Chiu-yi), die es irgendwie schafft, dass man sie mag und mit ihr mitfiebert, obwohl sie bereits in der ersten Filmhälfte eine schwangere Frau qualvoll erstickt.
Stark an dem Film
finde ich die trockene Erzählweise, die uns einfach vor die Füße wirft, was Sache ist: verheiratete Männer, die Affären haben, denen sie nicht mal ein Hotelzimmer bezahlen wollen.
Investmentfirmen, die Menschen aus Wohnblocks vertreiben, um diese restaurieren und teuer auf den Markt werfen zu können. Versicherungsfirmen, die im Ernstfall nur zahlen, wenn es sich absolut
nicht vermeiden lässt. Und Jobs, die die Angestellten dazu zwingen, Kunden in den Arsch zu kriechen, um denen überteuerte Kredite anzudrehen. Dieser Film ist angepisst as fuck und beweist
trotzdem eine gewisse verspielte Leichtigkeit, die sich in einigen kuriosen Szenen, einer fast schon kindlichen Lust an Grausamkeit oder aber auch in einer nicht chronologischen
Erzählweise äußert. Wie hier Anspruch und derbstes Bahnhofskino zusammengehen, als hätte es nie einen Widerspruch gegeben, das ist schon beeindruckend. Wie krank die Zusammenhänge sind,
die wir in unserem ökonomischen und gesellschaftlichen System hinnehmen, veranschaulicht „Dream Home“ als entfesselte Gewaltorgie, die gleichermaßen bedrückend, wie befreiend und so
traurig, wie auf sehr makabere Weise komisch ist. Wer gerade wegen „Eigenbedarf“ aus seiner Wohnung geflogen ist und nun auf einem völlig überspannten Wohnungsmarkt den Anbietern Honig ums Maul
schmieren muss, könnte „Dream Home“ als kathartisch (aber hoffentlich nicht als inspirierend) erleben.
Wer die nicht jugendfreien Filme dritter Kategorie („Cat III“) aus Hongkong kennt, weiß, dass hier mehr noch als im westlichen Exploitation-Kino Tabus nur dazu sind, um gebrochen zu
werden. Mit der Darstellung von (perversem) Sex und Gewalt (gerne bunt gemischt) wird dabei sehr freizügig und ohne moralische Einordnung umgegangen. Die Zielgruppe weiß
Bescheid. Alle anderen machen lieber einen Bogen um die herbe Erfahrung „Dream Home“, nach der man erst einmal lange duschen möchte.
Trivia: Schauspielerin und Musikerin Josie Ho (u.a. „The Apostels“, „Contagion“, „Open Grave“) spielt hier nicht nur die Hauptrolle, sie
produzierte „Dream Home“ auch, und wirkte auf Regisseur Pang dahingehend ein, dass sie richtig krasse Gewaltszenen im Film haben wollte.
Regisseur und Autor Pang Ho-cheung arbeitete bereits 2007 an dem Drehbuch. In einem Interview erklärte er, sein Plan sei gewesen,
einen Film über den durchschnittlichen Hongkonger schreiben, der mit dem dortigen überhöhten Immobilienmarkt konfrontiert sei. Dabei sei er auch durch eigene Erfahrungen
inspiriert worden. Pang recherchierte sämtliche Immobilienfirmen Hongkongs, um sicherzustellen, dass kein Firmenname mit dem in seinem Film übereinstimmte, und erklärte, „sonst wären wir in
echten Schwierigkeiten.“
Da Pang hielt Musik und Licht in einem Slasher-Filmen für entscheidend und engagierte Wong Kar-wais regulären Beleuchter Wong Chi-ming und den italienischen Komponisten Gabriele
Roberto. Beides Meister ihres Faches.
„Dream Home“ enthält Dokumentaraufnahmen einer Demonstration gegen den Abriss des Queen's Pier in Hongkong im Jahr 2007.
IMDB: 6.6 von 10
Letterboxd-Rating: 3.4 von 5
Hopsy-Rating: 4 von 5
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Steffelowski (Sonntag, 27 Juli 2025 12:52)
Noch nie davon gehört. Sollte der Film mir mal über den Weg laufen, schaue ich bestimmt rein