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I Saw the TV Glow

Eigenwilliger Film über den Schrecken des Andersseins

USA 2024

 Regie: Jane Schoenbrun             

 Laufzeit: 100 Minuten

 

Handlung: 1996 in einer Kleinstadt in den USA: Der 13-jährige Owen lernt die 15-jährige Maddy kennen und ist fasziniert von ihrer Lieblings-Fernsehserie: In „The Pink Opaque“ kämpfen zwei jugendliche Mädchen mit ihren psychischen Kräften gegen den Superschurken „Mr. Melancholie“. Der besitzt die Fähigkeit, Zeit und Realität zu verzerren. Owen und Maddy entwickeln über die Serie Gefühle von Zugehörigkeit und Hoffnung in einer Welt, in der sie Außenseiter sind. Dann aber verschwindet Maddy.

 

Besprechung: Das ist ein sehr eigenwilliger Film. Wer zünftigen Horror erwartet, schaut in die Röhre, denn „I Saw the TV Glow“ ist vor allem ein queeres Jugenddrama. Noch dazu eines, das langsam und unaufgeregt und tendenziell arthousig erzählt wird und erst in der zweiten Hälfte zu einer verstörenden Mystery-Geschichte wird, die bis in manche Motive deutlich an das Werk von David Lynch erinnert, vor allem an „Twin Peaks“, „Eraserhead“ und „Blue Velvet“. Dennoch ist „I Saw the TV Glow“ ein völlig eigenständiger Film, der eine ganz eigene Atmosphäre erzeugt. Sowohl Owen als auch Maddy wirken stark depressiv, was es anstrengend macht, ihnen in ihrem Kampf um eine für sie passende Wirklichkeit zuzuschauen. Owen ist obendrein ziemlich passiv und hat im englischen Original eine sonderbare Stimme. Der Film verlangt einem also auch hier etwas ab. Zwar ist Owen keineswegs unsympathisch, und ich konnte mit dem verloren wirkenden Teenager mitfühlen – eine klassische Identifikationsfigur ist er aber sicher nicht, so wie auch die Dramaturgie des Films nicht klassisch ist. Ich fand es auch störend, dass nach einem Zeitsprung von zwei Jahren Owen von einem anderen Schauspieler (Justice Smith) gespielt wurde, der dem vorherigen (Ian Foreman) überhaupt nicht ähnlich sieht.

Trotz dieser Eigenheiten bin ich gut in den Film reingekommen, was zum einen an den tollen Farben und großartig komponierten Bildern liegt. Zum anderen gefällt mir der Soundtrack des Films, der hypnotische Titel von Singer-Songwriterinnen Phoebe Bridgers oder Snail Mail bietet, aber auch asiatischen Post-Pop (Yeule) oder das krasse „Psychic Wound“ der Post-Metal/Sludge-Band King Woman. Auch finde ich die Idee frisch, dass eine TV-Serie jugendlichen Außenseitern nicht nur Identifikation und sehnsuchtsvolle Hoffnung bietet, sondern zugleich auch eine Fluchtmöglichkeit, die die Realität in Frage stellt.

Der wahre Horror in „I Saw the TV Glow“ ist eine Realität, in der sich manche Menschen völlig fehlplatziert vorkommen müssen. Wer nicht in das Raster „Mann/Frau“ (am besten heterosexuell) passt, muss sich wie ein Freak fühlen. Entweder ist man dann selbst der monströse Fehler, oder die Welt, in der man lebt. Diese Ungeborgenheit vermittelt der Film eindringlich, wenn auch manchmal etwas holzschnittartig. Hin und wieder gehen die Arthouse-Ambitionen mit Jane Schoenbrun für meinen Geschmack etwas zu sehr durch. Ein bisschen mehr Pfeffer und Horror, ein bisschen weniger Dialog und artsy-fartsy hätten dem Film in meinen Augen gutgetan. Dennoch ist „I Saw the TV Glow“ ein starkes, eigenständiges und von großem künstlerischem Gespür getragenes Werk, das sich aufgeschlossene Horrorfans nicht entgehen lassen sollten. Denn irgendwie sind wir doch alle ein bisschen Buffy!

 

Trivia: Jane Schoenbrun schrieb das Drehbuch und führte Regie. Drei Jahre zuvor drehte die non-binäre Person bereits einen psychologischen Coming-of-Age-Film mit Horrorelementen. „We‘re All Going to the World’s Fair“ kann allen ans Herz gelegt werden, die „I Saw the TV Glow“ gut fanden, da er stilistisch und thematisch eine Menge Ähnlichkeiten aufweist.

Produziert wurde „I Saw the TV Glow“ unter anderem von Emma Stone („Poor Things“) und ihrem Mann, dem Comedian Dave McCarey, die eine eigene Produktionsfirma namens „Fruit Tree“ betreiben.

Jane Schoenbrun sagte im Mai 2024 in einem Interview mit USA Today, dass ein Sequel zu „I Saw the TV Glow“ durchaus denkbar sei. Im September 2024 postete Schoenbrun auf X, dass dey nun eine Idee für eine solche Fortsetzung habe, die dey „in ein paar Jahren“ umsetzen wolle.

Der ganze Film wurde auf gediegenen 35mm gedreht. Die Sequenzen aus der Fernsehserie „The Pink Opaque“ wurden allerdings in der Post-Produktion sowohl ins VHS- als auch ins Betamax-Format übertragen, um einen entsprechenden Look zu erzeugen. Die Schrifttype, die im Vorspann von „The Pink Opaque“ verwendet wird, ist die gleiche, die Fans aus „Buffy – im Bann der Dämonen“ kennen. Auch ist der Name „Tara“ eine Referenz auf die von 1997 bis 2003 ausgestrahlte Buffy-Serie. Amber Benson, die in Buffy die Rolle der Tara Maclay spielte, hat einen kurzen Auftritt in „I Saw the TV Glow“. Darüber hinaus gibt es noch eine Menge weiterer Cameo-Auftritte und Referenzen zu entdecken.

„I Saw the TV Glow“ räumte eine Menge Preise ab. Darunter „Gotham Awards“ für „Best Director“, „Outstanding Lead Performance“ und „Outstanding Supporting Performance“. Bei den Dorian Awards 2025 wurde „I Saw the TV Glow“ unter anderem als „bester Film“ und als „bester LGBTQ-Film“ des Jahres ausgezeichnet. Die St. Louis Film Critics Association wiederum ließ Awards in den Kategorien „bester Horrorfilm“ und „bester Soundtrack“ springen.

 

IMDB: 5.8 von 10

Letterboxd-Rating: 3.5 von 5                                                                                                      

Hopsy-Rating: 3.5 von 5

 

 

 

 

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