Nicht ganz geglückter Mix aus psychologischem Grusel und Monster-Horror

• Australien, Mexiko, USA 2010
• Regie: Troy Nixey
• Laufzeit: 99 Minuten
Handlung: Die achtjährige Sally bezieht mit ihrem Vater und seiner neuen Freundin in ein stattliches Herrenhaus namens Blackwood Manor. Das Gebäude soll vom Vater (Architekt) und seiner Freundin (Innenarchitektin) für einen Klienten restauriert werden. Hier ist die Patchwork-Familie allerdings nicht allein, denn Bewohner aus uralten Zeiten haben es auf das einsame Mädchen abgesehen.
Besprechung: Die Eröffnungsszene dieses Remakes eines TV-Films aus den 1970ern ist stark und auch unerwartet hart. Danach hält sich der Film
längere Zeit zurück, kann aber mit dem Herrenhaus glänzen. Blackwood Manor ist ein tolles Setting für eine klassische Schauergeschichte und wird von Kameramann Oliver Stapleton auch gut
in Szene gesetzt. Der mystisch-verwunschene Score von Marco Beltrami und Buck Sanders unterstützt die gediegene old school Atmosphäre, ist aber zugleich auch eher einfallslos und zu
typisch, um Akzente zu setzen. Das würde womöglich kaum auffallen, wenn die Figuren in „Don’t Be Afraid of the Dark“ überzeugend werden.
Leider sind Sally (Bailee Madison), ihr Vater Alex (Guy Pearce) und die Quasi-Stiefmutter Kim (Katie Holmes) weder gut geschriebene noch mitreißend gespielte Figuren. Die
Einsamkeit der kleinen Sally geht zwar in manchen Szenen zu Herzen, aber alles in allem, ist sie nicht besonders charismatisch, sondern wirkt wie ein muffiger Giftzwerg. Ihr Vater ist ein
Langweiler, dem außer seiner Karriere nichts wirklich wichtig ist, und der im Gegenzug uns als Zuschauer nicht wichtig ist. Hinter seiner locker-leichten Art verbirgt sich Desinteresse und
emotionale Entkoppelung, also sicher kein Sympathieträger. Seine neue Freundin Kim ist zwar nett, aber sie ist eben auch eigentlich nur das. Erst im letzten Drittel des Films ergreift sie die
Initiative und kann sich dann als Identifikationsfigur etablieren. Vorher erlebt man die sonderbaren Ereignisse auf Blackwood Manor größtenteils aus Sallys Sicht. Sally ist aber in meinen
Augen nicht der Charakter, der einen Film auf seinen Schultern tragen kann, auch wenn es ein paar starke Szenen mit ihr gibt.
Bleiben die lichtscheuen Unholde, die im Kamin des Kellers hausen und ihre eigenen Pläne verfolgen. Die kleinen Biester kann man wahlweise unheimlich oder lächerlich finden, ich würde positiv
formulieren, dass sie mal etwas anderes sind, als die Totengeister, die sonst in Haunted-House-Filmen ihr Unwesen treiben. Manchmal musste ich an die kauzige Puppetmaster-Reihe denken,
manchmal auch an die derbe Horrorkomödie Ghoulies von 1987.
Schlecht ist das alles nicht, es gibt sogar Ansätze von Tiefsinn in dem Film, der analytisch veranlagte Zuschauer*innen zum Entdecken freudianischer Themen einlädt. Wirklich
mitreißend gerät „Don’t Be Afraid of the Dark“ aber leider auch nur in einigen wenigen Moment, unter denen die Eröffnungssequenz bereits die stärkste ist.
Trivia: Guillermo del Toro schrieb das Drehbuch für den Film und sollte ihn ursprünglich auch drehen. Diese Gelegenheit gab er aber dem
befreundeten Comiczeichner Troy Nixey, der mit „Don’t Be Afraid of the Dark“ sein Debüt als Regisseur präsentierte. Der Film wurde ein finanzieller Flop und Nixey drehte danach keinen
weiteren.
Die Filmemacher siedelten Blackwood Manor absichtlich in Providence, Rhode Island, denn an diesem Ort, verbrachte der Horrorautor H.P. Lovecraft (1890 – 1937) die längste Zeit
seines Lebens. Seine Geschichte „Die Ratten im Gemäuer“ ist ein nennenswerter Einfluss auf den Film. Als eine weitere Inspirationsquelle nannte Guillermo del Toro den Autor Arthur Machen
(1863 – 1947), in dessen phantastischen und unheimlichen Geschichten die Feen und Geister der walisischen Mythologie hin und wieder eine Rolle spielten. Machen wird im Film sogar
ausdrücklich als referenz erwähnt. Und schließlich spielt „Blackwood Manor“ auf den Gruselautor Algernon Blackwood (1869 – 1951) an, den Guillermo del Toro ebenfalls sehr
schätzt.
Über dem Kamin sind im Film Runen des älteren Futhark zu sehen. In unser Alphabet übertragen ergeben die Buchstaben BE AFRAID.
Del Toro hat einen Cameo-Auftritt im Film: Man sieht ihn kurz als Passagier im Flugzeug in der Reihe hinter Sally.
IMDB: 5.5 von 10
Letterboxd-Rating: 2.7 von 5
Hopsy-Rating: 2.5 von 5
// HOPSYS GEDANKEN
Das Original, auf dem dieser Film aufbaut, ist ziemlich anders. Der 1973 im US-amerikanischen Fernsehen ausgestrahlte „Don’t Be Afraid oft he Dark“ (Alternativtitel: „Gate of Darkness“) beeindruckte den jungen Guillermo del Toro so sehr, dass er zusammen mit seinen Geschwistern durchs Haus lief und diese mit geflüsterten „Sally!“, „Sally!“ Rufen das Fürchten lehren wollte. Im Original ist Sally eine erwachsene Frau, die mit ihrem Mann Alex ein von der Großmutter geerbtes Haus bezieht. Auch hier gibt es einen alten, verschlossenen Kamin, auch hier gibt es einen Hauswart namens Harris, der davor warnt, die Feuerstelle zu öffnen. Die Unholde selbst sehen aber ganz anders aus und sind auch nur zu dritt. Das Original hat im Vergleich zum Remake einige Mängel: Abgesehen davon, dass die Kreaturen bescheuert aussehen, wenn sie mal richtig ins Bild kommen, ist das Schauspiel der günstigen TV-Produktion recht hölzern. Vor allem Sally (Kim Darby) wirkt irgendwie steif und neben der Spur. Auch sind die Schauwerte geringer und die Geschichte wirkt manchmal trotz der schlanken 75 Minuten Laufzeit, zu langsam erzählt. Was auch daran liegt, dass eigentlich nicht viel passiert. Das Original hat aber auch Stärken: Die Filmmusik von Billy Goldenberg ist großartig und zusammen mit dem Off-Screen-Gerede der Kreaturen so unheimlich, dass selbst deren albernes Aussehen nicht dagegen ankommt. Der Film besitzt manchmal eine surreale Qualität und entführt trotz seiner billigen Machart zumindest für Momente in eine entrückte Traumwelt, in der Geschichten wie diese plötzlich plausibel erscheinen.
Psychologisch interessant am Original finde ich die Ehedynamik von Sally und Alex. Alex ist der nach außen selbstsichere Ernährer, der als Rechtsanwalt Karriere machen will und seine sich oft kindlich gebende Frau unterschwellig auch wie ein Kind behandelt. Laufen die Dinge nicht zu seiner Zufriedenheit, wird er gerne laut. Spannend daran ist, dass die Filmemacher womöglich gar keine Kritik an patriarchalen Ehekonzepten üben, sondern einfach eine normale „moderne“ Ehe der 1970er abbilden wollten. Und die ist dann tatsächlich gruselig.
Ein Aspekt dieser traditionellen Versorgerehe ist, dass der Mann den ganzen Tag weg ist, um Geld zu verdienen, derweil die Frau den Haushalt führt und keine weitergehenden Ambitionen entwickeln
soll und kann. Als Reaktion darauf bildet sie sich vielleicht ein, bedroht zu werden, fantasiert viel, züchtet Neurosen. Und natürlich muss man deswegen nicht ernst nehmen, wenn sie von
unheimlichen Wesen aus dem Kamin berichtet. Diese Art von Ehen sind in der westlichen Welt weniger geworden, entsprechend sind auch die mal spöttischen, mal mitfühlenden Kommentare zu
„Hausfrauen-Neurosen“ deutlich weniger geworden. Fast ganz verschwunden ist der Begriff der „Hysterie“, mit dem Sigmund Freud und Josef Breuer in ihren „Studien über Hysterie“ (1895) ein wichtiges Phänomen der Psychoanalyse erläuterten, das sich nicht ausschließlich, aber überwiegend auf Frauen beschränkt.
Ursache für die Symptomatik sind laut Freud in der Kindheit verdrängte sexuelle Wünsche. Wobei Frauen durch Rollenklischees auch im Erwachsenenalter oft keinen Zugang zu ihrer Libido haben und
sich den Erwartungen der Gesellschaft im Allgemeinen und ihres Mannes im Speziellen anpassen. Die Hysterie ist demzufolge eine Reaktionsbildung auf eine (geschlechterspezifische)
Unterdrückung des eigenen Trieblebens.
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