Atemlose Spannung ohne Schnickschnack

• USA 2016
• Regie: Fede Álvarez
• Laufzeit: 89 Minuten
Handlung: Die Teenagerin Rocky lebt mit ihrer alkoholsüchtigen Mutter und ihrer kleinen Schwester in ärmlichen Verhältnissen in Detroit. Um mit ihrer Schwester andernorts neu beginnen zu können, plant sie mit ihrem Freund und einem Kumpel einen Einbruch. Zielobjekt ist das Haus eines älteren blinden Mannes, der angeblich auf 300.000 Dollar sitzt. Und das in einer Gegend, in der die Häuser so runtergekommen wie verlassen sind. Bis die Polizei auftaucht, sind die drei Teenager längst über alle Berge. Das zumindest ist der Plan.
Besprechung: Straight, simpel, spannend. Das ist die Art von Film, die scheinbar einfach zu schreiben und zu drehen sein müssten, tatsächlich
aber selten zu finden sind. Und so simpel ist das Drehbuch auch gar nicht. Zwar lässt sich die Handlung in ihren Hauptzügen in wenigen Sätzen zusammenfassen, aber es sind die vielen oft
überraschenden Aktionen, Drehs und Kniffe, die den Film über seine Laufzeit von knapp 90 Minuten nie langweilig werden lassen. Anders gesagt: Makroebene schön einfach, Mikroebene ausgefuchst.
Dabei hilft das begrenzte Setting und sehr übersichtliche Ensemble dem Film dabei, eine zunehmend beklemmende Spannung zu erzeugen, wie man sie aus Klassikern wie „Panic Room“ (David Fincher)
kennt. Nur, dass wir hier die Geschichte aus der Sicht der Einbrecher erleben.
Beeindruckend an „Don’t breathe“ ist vor allem die Erzählökonomie. Zu Beginn werden die jugendlichen Hauptfiguren so kurz wie prägnant charakterisiert. Alle drei sind sofort greifbar, auch in
ihrer Dynamik miteinander. Und dann geht es auch schon los, ohne dass der Film noch einmal für irgendwelche erzählerischen Mätzchen die Handlung ausbremsen muss. Kein Kitsch, keine Metaphern,
keine intellektuellen Ambitionen– nur pures, schnörkelloses Terrorkino. Zwar hat der Film eine leichte Anmutung von Klassenbewusstsein, aber das macht ihn nie belehrend, schwerfällig oder
pseudo-anspruchsvoll. Auch technisch ist die Umsetzung stark: Die Kamera zieht uns in die Räumlichkeit des Hauses hinein, lässt uns immer wissen, wo wir sind, versteht es, den Fokus vom Vorder-
auf den Hintergrund zu verschieben und die Unterschiede von Licht und Dunkel atmosphärisch und ästhetisch eindrucksvoll zu nutzen. Der Score ist abwechslungsreich und intensiv, drängt sich aber
nur selten in den Vordergrund. Es gibt einige wenige, effektive jumpscares und ein paar Gewaltszenen, die unangenehm körperlich und nachvollziehbar sind, ohne dabei auf den grafischen Exzess zu
setzen.
Die Darsteller*innen machen ihre Sache allesamt gut. Stephen Lang als blinder Irak-Veteran ist nahezu ikonisch. Seine Figur löst Mitleid, Furcht und Abscheu aus. Ein sehr beschädigter und
zugleich sehr kraftvoller Mann, der lange in Erinnerung bleibt. Natürlich kann man sich in Bezug auf die Plausibilität der krassen Geschichte und in Bezug auf das Verhalten der Jugendlichen ein
paar Fragen stellen, insgesamt aber kommt der Film angenehm bodenständig und glaubwürdig rüber und versucht zumindest, die Intelligenz des Zuschauers nicht unnötig zu beleidigen. Insgesamt ist
das ein sehr spannender Thriller, der aufgrund einiger furchteinflößender und abgründiger Momente auch als Horrorfilm funktioniert.
Warn-Hinweis: Sexualisierte Gewalt.
Trivia: Regisseur Fede Álavarez hatte für seinen vorhergehenden Film – das sehr starke Remake „Evil Dead“ – viel Lob aber auch einiges an Kritik
erhalten. So bemängelten manche den exzessiven Einsatz von Kunstblut und grafischer Gewalt. Mit „Don’t breathe“ wollte Álvarez zeigen, dass er auch Suspense und Spannung beherrscht und dafür
keineswegs literweise Blut verspritzen muss. Der Erfolg gab ihm Recht: Bei einem Budget von knapp 10 Millionen Dollar spielte „Don’t breathe“ über 150 Millionen Dollar ein.
Der Film spielt zwar in Detroit wurde aber größtenteils in Ungarn gedreht. Lediglich Großaufnahmen der Stadt wurden tatsächlich in Detroit gefilmt.
Die Fortsetzung „Don’t breathe 2“ kam 2021 in die Kinos. Álvarez war am Drehbuch beteiligt, Regie führte diesmal jedoch Rodo Sayagues. Der zweite Teil ist weniger spannend und unheimlich und
nervt mit einer psychologisch sperrigen Figurenzeichnung. Ein paar gute Ideen und fiese Szenen kann er jedoch für sich verbuchen, ohne dabei je an den ersten Teil heranzukommen.
Die Violine, die man im Score des Films hören kann, wurde vom Regisseur selbst gespielt.
IMDB: 7.1 von 10
Letterboxd-Rating: 3.3 von 5
Hopsy-Rating: 4 von 5
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