Coming-of-Age Drama mit Zombies

• Vereinigtes Königreich, USA 2025
• Regie: Danny Boyle
• Laufzeit: 115 Minuten
Handlung: 28 Jahre nachdem das „Rage“-Virus aus einem Londoner Labor auf die Menschheit losgelassen wurde, steht Großbritannien unter Quarantäne. Die Mehrheit der Menschen sind gemeingefährliche, zombieartige Kreaturen. Doch es gibt auch Überlebende der Katastrophe, die nicht infiziert sind. Eine kleine Gemeinschaft solcher Menschen lebt auf einer winzigen Insel, nicht weit vom englischen Festland, und bestreitet ihren kargen Alltag mit wachsamer Präzision. Eines Tages folgt der 12-jährige Spike seinem Vater zum ersten Mal aufs Festland. Als Initiation in das gefährliche Erwachsenenleben soll Spike einen Infizierten töten.
Besprechung: Es ist ziemlich sicher, dass „28 Years Later“ polarisieren wird. Die einen werden den fast zweistündigen Film als wendungsreiches
Horror-Epos feiern, das mit großartigen Settings, einer fast schon poetischen Bildsprache und starken Darsteller*innen punktet. Manche werden sich auch über die zahlreichen Referenzen freuen und
loben, wie der pseudo-dokumentarische Wackelkamerastil der früheren Filme elegant in die neue Verfilmung mit ihrem deutlich höheren Budget integriert wurde.
Andere, und dazu zähle ich, werden allerdings enttäuscht sein und den Film als prätentiös, ungruselig und tonal unausgegoren bezeichnen. Die Musik der schottischen Hip-Hop-Band "Young Fathers"
nervt hart. Die nackten Zombies und ihre Pimmelprothesen sind eher lächerlich. Und die Physik stimmt hier selten. Egal wie schnell so ein Alpha-Zombie ist: Die lahmen Menschen sind dann doch
immer schneller. Es sei denn, ein Schwede muss mal eben schnell durchs Dach eines Zuges entsorgt werden. Dann ist Gegenwehr unmöglich. Dass ein Zwölfjähriger quasi allein in diese von rasenden
Bestien bevölkerte Welt aufbricht, ohne dass ihm je die Pfeile ausgehen -- nun gut. Dass er vor ein Tag und Nacht bewachtes Tor gelangen kann, ohne dass es jemand mitbekommt -- bitte. Aber was
zur Hölle sind das für Pfeile, die angeblich keine Brust durchbohren können, aber dann doch mal eben durch einen Meter Fettgewebe zischen als sei's Butter? Und warum diese aufdringlichen
Einspielungen aus Kriegs- und Ritterfilmen? Machst du jetzt Kunst, Danny? Lass das! Dass Alexander Garland beim Verfassen seiner Drehbücher Unterstützung braucht, halte ich schon lange für
gesetzt, aber auf mich hört ja keiner.
Gleich der Anfang verdeutlicht, Stärken und Schwächen des Films: Ein paar Kinder sitzen in einem Raum und gucken auf einen Fernseher. Es laufen die Teletubbies. Wir befinden uns im Jahr 2002.
Geräusche im Hintergrund und die Stimmen von Erwachsenen versetzen die Kinder (und den Zuschauer) in Anspannung. Bis dahin ist die Sequenz großartig. Dann brechen die Infizierten ins Wohnzimmer
und veranstalten ein hektisch geschnittenes und halbherzig wirkendes Gemetzel. Die Physik stimmt hier einfach nicht. Ein Junge kann entkommen und flüchtet in eine Kirche zu seinem Vater, der als
Priester freudig das jüngste Gericht verkündet. Die nun folgende Attacke der Infizierten schwankt inszenatorisch unschlüssig zwischen Drama, Horrorfilm und Parodie. Auch später scheint der Film
manchmal nicht zu wissen, was er sein will: Sentimentales Familiendrama in einem postapokalyptischen England, augenzwinkernde Verbeugung vorm Zombie-Genre oder doch ein richtiger Horrorfilm, der
erschrecken will.
Im Kern ist „28 Years Later“ ein Coming-of-Age-Film. Der zwölfjährige Spike (großartig verkörpert von Alfie Williams) wird von seinem Vater in die „männliche“ Welt eingeführt, die aus tapferer
Gewaltausübung, Biertrinken und Prahlen zu bestehen scheint. Diese Initiation erfolgt in der kleinen Inselgemeinschaft Überlebender quasi automatisch. Für eine andere, eher „weibliche“ Einführung
ins Erwachsenleben entscheidet sich Spike schließlich selbst: Gemeinsam mit seiner Mutter lernt er sowohl Fürsorge als auch Akzeptanz angesichts der Verletzlichkeit und Endlichkeit des Menschen.
Während die erste Initiation dazu führt, dass sich Spike von seinem Vater lösen kann, löst er sich durch die zweite von seiner Mutter. Unterstützung erhält er dabei durch einen schrägen
Charakter, den kein geringerer als der preisgekrönte Schauspieler Ralph Fiennes verkörpert. Das Ende des Films wirkt offen. Eine Fortsetzung namens „28 Years Later: The Bone Temple“ ist bereits
gedreht, ein dritter Teil der Trilogie in Planung. Vermutlich wird man dann mehr über die aus „Slow-Lows“, Normalos und „Alphas“ bestehende „Klassengesellschaft“ der mit dem „Rage“-Virus
Infizierten erfahren. Anders als in den Vorgängerfilmen laufen sie hier größtenteils nackt herum, essen ihre Opfer und können auch Kinder bekommen und Familien gründen.
Was mangelnde Plausibilität angeht, steht „28 Years Later“ den Filmen von 2002 und 2007 in nichts nach. Was den Horror angeht, leider schon. Um die Besprechung aber mit etwas Positivem zu
beenden: „28 Years Later“ ist kein Film von der Stange, versucht sich an etwas Eigenem und wird sicher manche Diskussion inspirieren. Warten wir also die weiteren Teile der neuen Trilogie ab.
Trivia: Ein großer Teil des Films wurde mit einem iPhone 15 Pro Max aufgenommen. Damit ist „28 Years Later“ der bisher teuerste Langfilm, der mit
einem Smartphone gefilmt wurde.
Drehbuchautor Garland sagte, dass er für die Story stark durch „Kes“ inspiriert wurde, ein britisches Drama von Ken Loach aus dem Jahr 1969. In dem Film wird ein 15-jähriger Junge der
Arbeiterklasse ausgegrenzt und gemobbt und beginnt, sich für Turmfalken zu interessieren.
Cillian Murphy, der in „28 Days Later“ die Hauptrolle spielte, ist diesmal nur als executive producer aufgeführt. Es ist aber möglich, dass er in den beiden folgenden Teilen der Trilogie auch vor
der Kamera mitwirkt. Zumindest hat er Interesse daran bekundet.
Der sonderbare Text, den man im ersten Drittel des Films hört, ist eine Aufnahme aus dem Jahr 1915. Der Schauspieler Taylor Holmes spricht das Gedicht „Boots“ von Rudyrad Kipling, das mit seinem
Rhythmus an marschierende britische Soldaten (während des Burenkriegs) erinnern soll.
IMDB: 7.3 von 10
Letterboxd-Rating: 3.7 von 5
Hopsy-Rating: 2.5 von 5
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