Poetisches Schauer-Drama

• USA 1943
• Regie: Jacques Tourneur
• Laufzeit: 68 Minuten
Handlung: Die kanadische Krankenschwester Betsy erhält einen Job auf der Karibik-Insel Sankt Sebastian. Sie soll dort Jessica Holland pflegen, die Frau des Plantagenbesitzers Paul. Jessica vegetiert in einer Trance vor sich hin, angeblich aufgrund der unheilbaren Schädigungen durch ein starkes Tropenfieber. Auf dem Anwesen leben noch einige schwarze Bedienstete, Pauls trinkfreudiger Halbbruder Wesley und die Mutter der beiden. Betsy fühlt bald, dass mit den Hollands etwas nicht stimmt, und das hinter Jessica halbtotem Zustand mehr stecken könnte als ein Fieber.
Besprechung: Nach dem großen Erfolg von „Katzenmenschen“ ließ Produzent Val Lewton den ambitionierten Jacques Tourneur gleich einen weiteren
Gruselfilm mit starkem Einschlag in Richtung Drama drehen. Lewton interessierte sich dabei vor allem dafür, mit kleinem Budget große Einnahmen zu erzielen, Tourneur hingegen
wollte Filmkunst schaffen. Das Drehbuch wiederum schrieb zunächst Curt Siodmak, der dann aber aus dem Projekt ausstieg und durch Ardel Wray ersetzt wurde. Siodmak und Wray sind beide keine
Unbekannten im Bereich des Horror-Genres. Das Ergebnis dieses Entstehungsprozesses ist ein bemerkenswerter Film, der sich irgendwo zwischen tiefsinnigem Drama und seichtem
Melodram ein Plätzchen sucht und mal subtile darstellerische Nuancen und dann wieder hölzerne Dialoge bietet. Ja, „Ich folgte einem Zombie“ ist ein ziemlich ungewöhnlicher Film, der
gleichzeitig als künstlerische Vision und Produkt für den Massengeschmack konzipiert ist.
Die Geschichte ist ungewöhnlich, aber mehr interessant als atemberaubend spannend. Der eigentliche Star des Films ist die Atmosphäre: die drückende Schwüle der westindischen
Insel mit ihren schwarzen, von Voodoo-Trommeln durchhallten Nächten, die Schatten vor den Fenstern der von Dschungelpflanzen umstandenen Unterkünfte, das Klagen einer Frau, das Schlurfen nackter
Füße über dem nächtlichen Pfad. Von Anfang an liegt etwas Schicksalsschweres auf den Bildern des Films, eine Schönheit, die sich womöglich erst dem zeigt, der die Ausweglosigkeit
des Daseins erkannt hat. Entsprechend sprechen Betsy und Paul Holland in einem frühen Dialog auch über die vermeintliche Schönheit der karibischen Nacht, die Paul jedoch als von Grauen und Tod
durchsetzt beschreibt. Später erklärt er, dass die Schwarzen auf der Insel von den Grausamkeiten der Sklaverei noch so geprägt sind, dass sie wehklagen, wenn ein Kind geboren wird, und sich
freuen, wenn jemand beerdigt wird. Die Welt ist kein lebenswerter Ort.
Für Paul scheint ähnliches zu gelten. So wie sein Halbbruder Zuflucht beim Alkohol sucht, verschließt sich Paul dem Leben hinter einer Fassade scheinbar gleichgültiger Bitterkeit. Also
sind es ausschließlich die Frauen, die die Handlung dieses US-amerikanischen Films aus der Zeit des 2. Weltkriegs vorantreiben. Das ist für die Zeit ebenso ungewöhnlich, wie das
Unbehagen gegenüber dem Sklavenhaltertum, das den ganzen Film durchzieht und im Bild eines hünenhaften Schwarzen mit entseeltem Blick gipfelt. Solche Szenen heben den Film weit über den
Durchschnitt, in dem er zwischendurch jedoch immer wieder einmal versinken würde, wäre da nicht die beeindruckende Kinematographie von J. Roy Hunt. Die von den Kameras
eingefangenen Bilder unterstützen meisterlich die Vision Tourneurs und führen den Betrachter in ein Zwischenreich, in dem Träume, innere Zustände und Magie nicht weniger real erscheinen als
Wachzustände und die Eingebungen der Vernunft.
Ähnlich wie bei „Katzenmenschen“ ist „Ich folgte einem Zombie“ als Horrorfilm sehr zurückhaltend. Es gibt einige wenige unheimliche Szenen und obendrein viel schattenhafte
Atmosphäre, die die Phantasie anregt. Grelle Gruselexzesse und zünftige Schocks darf man nicht erwarten. Mir persönlich gefällt die Geschichte von „Katzenmenschen“ besser, aber das Setting ist
hier reizvoller. Letztlich sind beide Filme nicht rundum Meisterwerke, enthalten aber einige meisterhafte Ansätze und lassen sich immer wieder neu interpretieren.
Trivia: Edith Barreth, die in diesem Film die Mutter von Paul und Wesley spielt, war nur drei Jahre älter als James Ellison, der den Wesley spielte. Und sie war zwei Jahre jünger als Tom Conway, der Paul spielte. Ebenfalls kurios ist, dass Edith Barreth im gleichen Jahr in der Orson Wells Verfilmung des Romans „Jane Eyre“ von Charlotte Brontë mitspielte. Dessen Plot hat einige Ähnlichkeiten zu „Ich folgte einem Zombie“.
Der Song „Shame and Scandal in the Family“ wurde von „Sir Lancelot“ geschrieben, einem karibischen Calypso-Sänger, der das Lied im Film auch selbst vorträgt.
Bei Minute 18 und 13 Sekunden kommt ein Gemälde ins Bild, das die berühmte Toteninsel von Arnold Böcklin zeigt.
2001 erschien ein Remake des Films. „Das Ritual – Im Bann des Bösen“ enthält zwar wie seine Vorlage auch Elemente eines Liebesdramas, setzt aber zusätzlich auf Splattereffekte
und satirische Einlagen. Immerhin spielt Tim Curry in diesem seltsamen Eintopf eine Hauptrolle.
IMDB: 7.0 von 10
Letterboxd-Rating: 3.7 von 5
Hopsy-Rating: 4 von 5
// HOPSYS GEDANKEN
Eine spannende Frage ist, ob „Ich folgte einem Zombie“ ein Film ist, der Rassismus reproduziert oder Rassismus anprangert. Meine Antwort lautet: beides. Die Produktion ist keineswegs frei von den Blickwinkeln und Vorurteilen, die weiße US-Amerikaner damals in Bezug auf Schwarze und das Thema „Sklaverei“ eingenommen haben dürften. So ist Paul Holland ein melancholischer Mann, der die Gräuel der Sklaverei anprangert, aber weiterhin wie selbstverständlich eine Plantage besitzt, auf der Schwarze arbeiten. Nun als Dienstboten. Und da er das love interest unserer Heldin Betsy ist, dürfen wir vermuten, dass Paul letzten Endes auch ein Sympathieträger und eine Identifikationsfigur für den männlichen hetero Zuschauer sein soll. Abgesehen davon jedoch, dass die Handlung hier von Weißen dominiert wird und Schwarze entweder als gutmütige Menschen oder gruselige Gestalten auftauchen, enthält der Film aber durchaus auch interessante Momente, die weiße Blickwinkel in Frage stellen. Als Betsy beispielsweise auf der Insel ankommt und von einem schwarzen Kutscher zum Anwesen der Hollands gefahren wird, sagt sie im freundlichen Plausch: „Da hat man Sie aber an einen wunderschönen Ort gebracht, nicht wahr!“ Der Kutscher antwortet mit melancholischem Lächeln: „Wenn Sie es sagen, Miss. Wenn Sie es sagen.“
Auch ist interessant, wie der Film bereits „kulturelle Aneignung“ thematisiert, bevor der Begriff gebräuchlich war. Ein weißer Mensch – aus Spoilergründen sage ich nicht, wer –
hat sich dem lokalen Voodookult angeschlossen, aber nicht, weil die Person daran glaubt, sondern weil sie auf diese Weise die Einheimischen manipulieren will. Der weiße Mensch spielt bloß vor,
von einem Gott in Besitz genommen worden zu sein, um dann seine eigenen Ideen als göttliche Botschaften an die Schwarzen weitergeben zu können. Interessanterweise ist diese Manipulation gut
gemeint und soll den „Primitiven“ dabei helfen, beispielsweise ihr Wasser abzukochen, um sich vor Infektionen zu schützen.
Ebenfalls muss man sagen, dass es nicht viele (von Nicht-Schwarzen gedrehte) Filme gibt, die Voodoo-Zeremonien einigermaßen korrekt und nicht komplett würdelos und effekthascherisch darstellen. „Ich folgte einem Zombie“ ist in der Hinsicht nicht makellos, gehört aber in dieser Hinsicht auf jeden Fall zu den besseren Filmen.
Aus meiner Sicht ist allerdings das zentrale Thema des Films weder Kolonialismus und Rassismus noch Liebe oder Voodoo. Vielmehr schwingt hier eine philosophische Frage von den ersten Einstellungen an atmosphärisch und andeutungsweise auch intellektuell mit: Lohnt es sich wirklich zu leben? Bedeutet Leben nicht Meister oder Sklave, Täter oder Opfer zu sein? Und sind die Täter nicht mindestens genauso unglücklich und gezeichnet wie die Opfer? In der brütenden Stille des vornehmen Anwesens der weißen Plantagenbesitzer sieht man die Galionsfigur eines ehemaligen Sklavenschiffes: einen von Pfeilen durchbohrten Schwarzen, der an den Heiligen Sebastian erinnert, einen christlichen Märtyrer, der mit Pfeilen erschossen wurde. Erzählen Christentum und die schwarzen Nachfahren der Sklav*innen womöglich im Kern die gleiche Geschichte? Auch das Leben der Herren scheint eine Form der Sklaverei (unter dem Joch der Sünde) zu sein. Und der Tod die einzig mögliche Befreiung.
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