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The Green Inferno

Deftiger, aber nicht chauvinistischer Kannibalenfilm

Kanada, chile, USA 2013

 Regie: Eli Roth                

 Laufzeit: 100 Minuten

 

Handlung: Die Studentin Justine schließt sich einer Aktivistengruppe rund um den narzisstischen Alejandro an und fliegt mit ihm in den Regenwald, um einen indigenen Stamm vor Vertreibung im Auftrag eines Großunternehmens zu schützen. Die Aktion scheint erfolgreich zu sein. Dann aber geraten die Aktivist*innen in die Gefangenschaft der Ureinwohner und lernen die raue Seite des Naturvolks kennen.

 

Besprechung: Wenn Eli Roth sich nach seinen beiden „Hostel“-Filmen an einem Kannibalenfilm im Stile der 1970er und 1980er versucht, befürchtet man Schlimmes. Schließlich neigt Roth zum Edgelord und berüchtigte Filme wie „Nackt unter Kannibalen“ oder „Nackt und zerfleischt“ aka „Cannibal Holocaust“ waren sexistisch und rassistisch und sparten auch nicht an (echter) Gewalt gegen Tiere. Es ist umso erfreulicher, dass „The Green Inferno“ verglichen mit den italienischen Grindhouse-Filmen schon regelrecht „woke“ wirkt, ohne deswegen zahm zu sein. Frauen- und Männerfiguren sind hier nicht stereotyp gezeichnet, der Film bedient keinen „männlich“ voyeuristischen Blick und die Kannibalen wirken nicht unsympathisch, wenn man von ihrer Angewohnheit absieht, Fremde wie Nutztiere zu behandeln.

Eine weitere Stärke von „The Green Inferno“ ist, dass er sich Zeit lässt, um seine Figuren zu charakterisieren und die Ambivalenz des gut gemeinten Helfertums zu illustrieren. Denn auch der wohlwollende Blick auf Naturvölker kann eben kaum die westlich-egozentrische Perspektive vermeiden. Entsprechend sind die „white saviours“ hier nicht unbedingt die Sympathieträger*innen. Das ist alles nicht besonders tiefschürfend und die Charaktere sicher nicht gerade vielschichtig, aber als deftige Unterhaltung mit Anspruch funktioniert das in meinen Augen sehr gut.

Der Film ist spannend, interessant, beklemmend und brutal. Den cleveren Zynismus einer Film-im-Film-Erzählung und den semidokumentarischen Charakter von „Cannibal Holocaust“ bietet er nicht. Und eben auch keine fragwürdigen Produktionsbedingungen. Somit ist „The Green Inferno“ zwar ein heftiger Film, aber weitaus besser zu gucken und zu verdauen als seine Inspirationsquellen aus dem letzten Jahrhundert. Als Schwachpunkte könnte man ausmachen, dass der konventionell-dramatische Score nicht so gut zum optisch ansprechenden Film passt, und dass „The Green Inferno“ im letzten Drittel sein Momentum nicht immer halten, auch weil ein paar kleine Albernheiten die Tonalität stören. Aber das Ende ist stark und festigt meine Meinung: Das ist der bisher beste Film von Eli Roth.

 

Trivia: Zum Vorsprechen für den Film ließ Roth nur Schauspieler*innen zu, die sich bereit erklärten, sich gegen Gelbfieber impfen zu lassen und mehrere Wochen im peruanischen Amazonas unter schlechten sanitären Bedingungen und in Gegenwart sehr giftiger Tiere zu drehen.

In dem Film wirken Mitglieder des friedlichen Callanyacu Stammes mit, der weder Kopfjagd noch Kannibalismus kennt. Als sich Eli Roth und seine Filmecrew mit diesen sehr ursprünglich lebenden Menschen austauschten, wurde schnell klar, dass sie noch nie einen Film gesehen hatten und das Konzept nicht kannten. Roth besorgte einen Fernseher und ein Videogerät und spielte den Einheimischen den Film „Cannibal Holocaust“ vor. Die Dorfbewohner liebten den Film und hielten ihn für eine Komödie. Anschließend wirkten einige von ihnen mit großer Freude und viel Enthusiasmus in „The Green Inferno“ mit.

„Cannibal Holocaust“ ist für Roth einer der liebsten und seine Karriere am stärksten prägenden Filme. Ursprünglich sollte dieses berüchtigte Werk von Ruggero Deodato den Titel „The Green Inferno“ erhalten. Es finden sich noch zahlreiche weitere Referenzen auf „Cannibal Holocaust“ in dem Film.

Während die Filmkritiken und die Resonanz des Publikums nicht besonders gut ausfielen, lobte Stephen King den Film leidenschaftlich als triumphale Rückbesinnung auf die Autokino-Filme seiner Jugend.

Ein Slogan für ein Plakat des Films lautet „No good deed goes unpunished“ (Jede gute Tat wird bestraft). Tatsächlich wurde mir neulich bei einem Aufenthalt in Budweis dieser Spruch als typisch tschechische Redewendung nahegebracht. Eli Roth drehte „Hostel“ und „Hostel 2“ in Tschechien mit einer teils tschechischen Crew. Möglich, dass er dort zu dem Plakat-Slogan inspiriert wurde.

 

IMDB: 5.4 von 10

Letterboxd-Rating: 2.4 von 5                                                                                                      

Hopsy-Rating: 4 von 5

 

 

 

 

 

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