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Unsane – Ausgeliefert

Aufwühlender Psychothriller mit ungewöhnlicher Kamera

 

USA 2018

 Regie: Steven Soderbergh                 

 Laufzeit: 98 Minuten

 

Handlung: Die Bankangestellte Sawyer Valentini fühlt sich verfolgt. Obwohl sie in eine weit entfernte Stadt gezogen ist, sieht sie noch immer den Stalker, der ihr Leben in einen Alptraum verwandelt hat. Als sie sich einer Therapeutin anvertraut, nehmen die Dinge allerdings eine unerwartete Wendung.

 

Besprechung: Ich würde diesen Film ins Genre des Psychothrillers einordnen, gleichzeitig ist die Situation, in die Sawyer gerät für mich der blanke Horror. Ich denke, es ist gut, nicht viel über „Unsane“ zu wissen, bevor man ihn das erste Mal sieht, denn dann kann der Film seine früh einsetzenden Überraschungseffekte optimal ausspielen.

 



Regisseur Steven Soderbergh nahm „Unsane“ komplett selbst auf, und zwar mit einem iPhone. Eigentlich hätte mich die Optik abschrecken sollen, aber der Film hat mich schon in den ersten Minuten in seinen Bann geschlagen. Sawyer ist eine interessante weibliche Hauptfigur, bei der man sich früh fragt, ob sie das Problem ist oder ihr Umfeld. Es werden gleich zu Beginn mehrere kleine Stressoren, man könnte sagen Mikroaggressionen, gezeigt, die ein Gefühl von Misstrauen und subtiler Bedrohung erzeugen. Auf diese Weise thematisiert der Film auch eindrücklich den engen Zusammenhang von Individuum und Umfeld beziehungswiese von psychischer Krankheit und sozialen Zuschreibungen. Ist „psychische Krankheit“ am Ende auch und vor allem eine gesellschaftliche Vereinbarung? Eine Frage von etablierten Strukturen und Machtverhältnissen? Ist manchmal der Pfleger einer Psychiatrie psychologisch womöglich noch viel gestörter als seine Patientin?

Die britische Schauspielerin Claire Foy, die hier tendenziell gegen ihr übliches Image besetzt wurde, verkörpert Sawyer Valentini als gleichermaßen verletzte wie widerständige Person und erschafft dabei einen großartigen Charakter, der im Gedächtnis bleibt. Zur intensiven Wirkung des Films trägt darüber hinaus die realistisch wirkende Inszenierung bei, die nur wenig Musik einsetzt und glaubwürdige Settings und Szenarios verwendet. Durch das Filmen mit einem iPhone kann Soderbergh ganz nah ans Geschehen heranrücken oder aus der Ferne beobachten und so oder so einen beinahe dokumentarischen Eindruck erzeugen.

Leider gibt der Film nach hinten raus den realitätsnahen Ansatz zugunsten einer eher konventionellen Thriller-Dramaturgie auf. Dadurch macht er sich in meinen Augen manches an nachhaltiger Wirkung kaputt. Hier wäre tatsächlich weniger mehr gewesen. Dennoch bietet der Film auch in der zweiten Hälfte fesselnde und sehr spannende Szenen, die in ihrer kammerspielartigen Intensität „Unsane“ trotz dramaturgischer Schwächen zu einem sehenswert Psychothriller machen, der nebenbei auch auf Missstände im amerikanischen Gesundheitssystem aufmerksam macht.

 

Trivia: Der Film wurde in nur zehn Tagen in chronologischer Reihenfolge mit einem Budget von 1,2 Millionen Dollar gedreht und spielte über 14 Millionen Dollar ein.

Matt Damon hat hier eine kleine Nebenrolle als „Detective Ferguson“ und gibt der Hauptfigur ein paar mehr oder minder hilfreiche Tipps, ganz so wie der gleichfalls von Matt Damon gespielte Jason Bourne in der „Bourne“-Filmreihe.

Da das iPhone sehr empfindlich auf Erschütterungen reagiert, konnte man damit nicht einfach Schwenks machen, wie sie sonst auf einem Kamerawagen möglich sind. Deshalb hat man beim Dreh einen kleinen Käfig um das Smartphone gebaut und es dann auf ein Stativ montiert. Für andere Szenen nutzte Soderbergh eine Smartphonehalterung und ließ sich in einem Rollstuhl herumfahren.

Ein deutschsprachiges Interview mit Soderbergh über das Drehen mit einem Smartphone und die filmischen und ökonomischen Konsequenzen findet sich hier.

 

IMDB: 6.4 von 10

Letterboxd-Rating: 3.3 von 5                                                                                                      

Hopsy-Rating: 3.5 von 5

 

 

 

 

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