Umstrittener Klassiker des „torture porn“

• USA, Tschechien 2005
• Regie: Eli Roth
• Laufzeit: 94 Minuten
Handlung: Drei US-amerikanische Studenten reisen mit dem Rucksack durch Europa, um zu saufen, zu kiffen und „Mädels flachzulegen“. Sie bekommen den Tipp, in ein spezielles Hostel in einer slowakischen Kleinstadt zu reisen. Dort seien die Frauen besonders schön und willig. Die drei Bros lassen sich nicht lange bitte und scheinen bald wirklich den Ort ihrer Träume gefunden zu haben. Aber wir sind hier nicht bei „Eis am Stiel“ oder „American Pie“…
Besprechung: Das ist ein problematischer Film. Weniger wegen der Folterszenen, auf die ich weiter unten eingehen werde. Problematisch ist viel
mehr, dass wir drei männliche Hauptfiguren haben, die Frauen als Beute fürs eigene Vergnügen betrachten und ganz ungeniert schwulenfeindliche Sprüche raushauen. Außerdem wird ein
Bild der Slowakei gezeichnet, dass das Land zu einer Projektionsfläche US-amerikanischer Träume und Ängste umphantasiert. Man kann also sagen, dass der Film sexistische,
schwulenfeindliche und chauvinistische Klischees reproduziert und obendrein einen „male gaze“ praktiziert, der sich für einzelne weibliche Körperteile besonders interessiert. Wer Filme
nur ertragen kann oder will, die politisch korrekt sind, sollte „Hostel“ auslassen.
Regisseur Eli Roth hat vorher mit seinem Debüt „Cabin Fever“ (2002) demonstriert, dass er gerne den Edgelord gibt, der Provokation und Geschmacklosigkeiten für das Salz in der
Suppe hält. Ich kann verstehen, wenn man diese Herangehensweise bescheuert findet, und mag auch „Cabin Fever“ nicht besonders. Mit „Hostel“ geht es mir aber anders. Der Film hat eine
intensive Energie, die zumindest mich von Anfang an packt. Die testosteronvergifteten Jungmänner sind unsympathisch, aber auch mitreißend in ihrer ignorant-naiven Hemmungslosigkeit.
Dabei sind nicht alle gleich: Der Isländer Oli wirkt manisch und völlig entgrenzt, der Ami Josh vergleichsweise gehemmt und sensibel. Paxton wiederum, der schließlich der Protagonist des Films
wird, wirkt weder überdreht noch gehemmt, sondern ist einfach der stabile Chad, der es sich gern gut gehen lässt. Der Clou des Films ist, dass die chauvinistischen Stereotype gespiegelt
werden. Soll heißen: Die drei fröhlichen Sextouristen glauben, dass sie die Subjekte sind und andere die Objekte. Sie begutachten, bewerten, benutzen. Dann aber werden sie selbst zu
Objekten, auf viel grausamere Weise als sie es sich hätten ausmalen können. So richtet sich der "male gaze" schließlich auch gegen den (männlichen hetero) Zuschauer.
Für abgebrühte Horrorgucker, die zum Frühstück Filme der SAW-Reihe gucken und sich auf richtig bösartige Streifen wie "Grotesque" (Japan 2009) einlassen, fallen die Folterszenen in
„Hostel“ ziemlich milde aus. Unangenehm sind sie dennoch, vor allem, wenn einem dadurch reale Folterungen in den Sinn kommen, wie sie leider bis heute von Kriminellen oder Soldaten
verübt und von Regierungen beauftragt oder geduldet werden.
Handwerklich ist der Film gut gemacht. Er bietet eindrucksvolle Bilder, starke Settings, solide Schauspieler*innen und einen anfangs so spärlich wie effektiv eingesetzten Score.
Außerdem funktioniert in meinen Augen die Dramaturgie gut. Zwar sind die ersten 40 Minuten tatsächlich größtenteils ein Film über notgeile Typen, die in Osteuropa die Sau rauslassen
wollen (2004 erschien die fürchterliche US-Komödie "Eurotrip") und sich dabei wie Herrenmenschen aufführen. Aber es gibt schon früh unangenehme oder zumindest ambivalente Szenen, sei es
mit einem „komatösen Mädchen“ oder in einem Amsterdamer Bordell, dessen kühle, sterile Atmosphäre etwas Alptraumhaftes hat. Der Film nimmt einen dabei moralisch nicht an die Hand, was die
Verstörung verstärkt. In meinen Augen schwingt in „Hostel“ von Anfang an etwas Unangenehmes mit, eine unterschwellige Bedrohlichkeit, die sich in der zweiten Hälfte als gewalttätige
Gewissheit entlädt. Da der Film immer wieder starke Szenen bietet und auch zunehmend spannend wird, kann ich ihn allen Menschen empfehlen, die durch das Lesen dieser Besprechung noch
nicht völlig abgeschreckt sind.
Trivia: Ursprünglich wollte Eli Roth eine Dokumentation über „murder vacation“ drehen, bemerkte aber bald, dass es ihm zu gefährlich war, mit entsprechenden Menschen in Kontakt zu kommen.
Der Film soll zwar hauptsächlich in der Slowakei spielen wurde aber in Tschechien gedreht, und zwar an Schauplätzen in Prag und dem pittoresken Ort Krumau in Südböhmen. Ja, auch
die Szenen in Amsterdam und Österreich.
Es gibt im Film drei Cameo-Auftritte von Regisseuren: Das japanische enfant terrbile Takashi Miike taucht als Mitglied des „Elite Hunting Club“ auf und
erklärt, dass man „darin“ so ziemlich sein ganzes Geld verliert. Quentin Tarantino, der den Film auch mitproduzierte, taucht mit freiem Oberkörper in einem Ansterdamer
Hotelfenster auf und schreit herum. Und Eli Roth selbst, ist ziemlich am Anfang kurz in einem Amsterdamer Coffee Shop zu sehen.
Die auf manchen Filmplakaten abgebildete „Folter mit einem Bohrer“ ist in der Endversion des Films nicht enthalten. Auch nicht in einem alternativen Ende, das von
Testzuschauer*innen als zu deprimierend abgelehnt wurde.
In der deutschen Version spricht einer der Folterer Spanisch und soll von einem Opfer auf Spanisch von seinen Taten abgebracht werden. In der englischsprachigen Originalversion spricht
der Sadist allerdings deutsch.
Eli Roth heuerte echte Straßenkinder an, um vor der Kamera als „Bubblegum-Gang“ aufzutreten.
IMDB: 5.9 von 10
Letterboxd-Rating: 2.7 von 5
Hopsy-Rating: 4 von 5
// HOPSYS GEDANKEN
Zum ersten Mal gesehen habe ich Hostel – meiner Erinnerung nach – beim Fantasy Film Fest 2005. Vielleicht aber auch bei der Berlinale 2006. Zumindest war Eli Roth anwesend und stand nach dem Film
für Fragen bereit. Dem damals 33jährigen Regisseur war es wichtig, dass sein Film nicht als reine Exploitation wahrgenommen wurde. Die Darstellung von Sex und Gewalt seien also
nicht reißerischer Selbstzweck, der Film habe eine Botschaft. Als jemand aus dem Publikum fragte, ob es um die im Kapitalismus entfesselte Konsumentenhaltung ginge, die alles und
jeden vornehmlich nach der Verwertbarkeit für den eigenen Macht- oder Lustgewinn betrachte, wurde Roth ganz aufgeregt. „Exactly“, sagte er. „Thank you!“ Und tatsächlich: Auch wenn „Hostel“
natürlich ein derbes Unterhaltungsprodukt ist, das eben jene „entfesselte Konsumentenhaltung“ auch bedient, in dem es auf die Sensationslust des Publikums spekuliert – der Film lässt sich
auch sehr gut als gar nicht so plumpe Kritik daran betrachten. Denn er enthält Szenen, die vor allem vor diesem Hintergrund Sinn ergeben. So etwa das Gespräch, dass ein Kunde des „Elite
Hunting Club“ mit Paxton hat, den er auch für einen Kunden hält. Der Mann, der offenbar gerade lustvoll jemanden getötet hat, erzählt ausführlich, dass er weltweit rumgevögelt habe. Pussy sei
letztlich überall Pussy, nach einer Weile sei das nichts Besonderes mehr. Jemanden zu ermorden: Das sei der real shit. Die Konsumentenhaltung des Sextouristen Paxton, der sein Verhalten
wahrscheinlich als normal und unproblematisch betrachtet, wird hier gespiegelt, nur dass im Spiegel nun kein netter junger Mann mehr zu erkennen ist, sondern ein sadistisch grinsendes
Monster. Aufschlussreich ist auch das Verhalten einer jungen osteuropäischen Frau, die als Lockvogel für Opfer des „Elite Hunting Club“ arbeitet. An einer Stelle sagt sie explizit zu einem ihrer
„Nutznießer“, der sie als Hure beschimpft: „Ich bekomme Geld für dich. Das macht dich zu meiner Hure.“ Dabei denkt der Film auch Klassenunterschiede mit. Wer foltern will, muss
Geld haben. Wer Geld braucht, kann den Folterern helfen. Menschen aus reicheren Ländern kommen in ärmere Länder, um dort die Umstände vorzufinden, die ihr Folterunternehmen erleichtert. Es gibt
sogar eine Preisliste für Opfer, die nach Herkunft unterscheidet. Einen Menschen aus Russland zu Tode zu foltern ist billiger, als einen US-Amerikaner zu ermorden. Der chauvinistische
Blick der jungen Touristen aus den USA auf die Slowakei, wird so ebenfalls gespiegelt, nur noch deutlich abgründiger: Ärmere Menschen und Länder lassen sich besser ausbeuten.
„Hostel“ ist letztlich jedoch etwas zu unentschlossen, um sein kritisches Potenzial voll auszuschöpfen. Das Dilemma ist klar: Wenn ich die drei Touristen nur unsympathisch darstelle, fiebert
niemand mit ihnen mit, wenn sie in die Fänge der Folter-Clique geraten. Deswegen wird der gut aussehende Paxton dann im Verlauf des Films zum Helden und zur Identifikationsfigur.
Das erhöht die Spannung und den Unterhaltungswert, verwässert aber die Kritik und führt den Film schlussendlich dann wieder in Richtung Hollywood, wo so oft die Guten gegen die Bösen kämpfen. Die
Verunsicherung, die der Film erzeugt, verschwindet aber auch dann nicht ganz. Denn als Paxton zum Schluss selbst sehr gewalttätig wird, hat das nur bedingt etwas Befreiendes. Als der
Abspann rollt, werden wohl die allerwenigsten Zuschauer ein Gefühl von Triumph und wieder hergestellter Ordnung verspüren.
Wer etwas über den angeblichen Schauplatz Slowakei in Bezug auf „Hostel“ lesen will, wird hier fündig. In dem Text geht es um den Ärger
mancher Slowaken über den Film und um Eli Roths Gründe, die Slowakei als Ort für seine finstere Geschichte auszuwählen.
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