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The Ugly Stepsister

Rabenschwarze Aschenputtel-Variante

Norwegen, Dänemark, Polen, Rumänien, Schweden 2025 

 Regie: Emilie Blichfeldt                    

 Laufzeit: 109 Minuten

 

Handlung: Die junge Elvira kommt zusammen mit ihrer Schwester Alma und ihrer Mutter Rebekka an den Hof eines alten Mannes, den Rebekka aus finanziellen Gründen geheiratet hat. Der aber stirbt plötzlich bei einem festlichen Abendessen und hinterlässt wider Erwarten keinerlei Reichtümer. Nun ruhen die Hoffnungen auf Elvira. Denn Prinz Julian gibt einen Ball und will dort die Schönste zur Braut wählen. Da es an Elviras Schönheit aus Sicht der Mutter durchaus das eine oder andere zu verbessern gibt, wird die junge Frau zum ambitionierten Dr. Esthétique geschickt. Außerdem unterzieht sie sich dem harten Drill einer Tanzlehrerin. Aber ob das alles nutzt? Schließlich stellt Agnes, die liebliche Tochter des verstorbenen Otto eine bedrohliche Konkurrenz dar.

 

Besprechung: Bei diesem Regiedebüt von Emilie Blichfeldt handelt es sich um eine düstere Variante des grimmschen Märchens vom Aschenputtel. Entsprechend spielt der komplette Film in einem sagenhaften Mittelalter, das mehr als einmal an den tschechischen Weihnachtsklassiker “Drei Nüsse für Aschenbrödel” denken lässt. Nur, dass wir es hier mit einem teilweise recht ungemütlichen Film aus dem Subgenre body horror zu tun haben.

Wer “The Substance”, “The Neon Demon” oder “Black Swan” gesehen hat, wird den Film thematisch nicht allzu originell finden. Früh erfahren wir mal wieder: “Wer schön sein will, muss leiden.” Und erleben Frauen, die sich eigentlich gegenseitig unterstützen könnten, in destruktiven Konkurrenzspiralen. Was “The Ugly Stepsister” aber besonders macht, ist zum einen das gut eingefangene märchenhafte Setting, zum anderen die interessante Perspektive, die der Film auf das bekannte Aschenputtel-Märchen wirft. Hier bekommen wir die Geschichte einmal nicht aus Sicht der Siegerin erzählt. Auch schafft der Film es sehr gut, die Balance zwischen groteskem Humor, fiesen Ekelmomenten und traurig stimmendem Drama zu halten.

Die Horroreffekte sind in “The Ugly Stepsister” nicht allzu zahlreich, aber sehr wirkungsvoll, und die Inszenierung insgesamt für ein Debüt erstaunlich sicher. Inspiriert worden sein dürfte Blickfeldt von so unterschiedlichen Regisseuren wie Juraj Herz (“Die Schöne und das Ungeheuer”) und Catherine Breillat (“Fat Girl”). Alles in allem ist vieles an dem Film zu loben, auch wenn er in der Mitte etwas hängt und womöglich ein paar Minuten kürzer hätte sein können. Aber gerade Hauptdarstellerin Lea Myren kann ihrer Rolle etliche Facetten abgewinnen, die von komisch bis tragisch reichen und dafür sorgen, dass trotz des klar satirischen Ansatzes des Films die Empathie nicht auf der Strecke bleibt.

 

Trivia: In einem Interview erklärte die Regisseurin, dass sie neben der Aschenputtel-Geschichte auch von ihrem Hadern mit dem eigenen Körper inspiriert worden sei.


Das Märchen „Aschenputtel“ wurde von den Gebrüdern Grimm nur aufgeschrieben. Als mündliche Überlieferung existierte es schon vorher. Die Grimms sollen allerdings ein paar Elemente hinzugefügt haben. So zum Beispiel die grausige Idee, dass Aschenputtels Stiefschwestern ihre Füße verstümmeln, damit ihnen der Schuh passt, den der Prinz nach einem seiner Bälle findet.


Die eindrucksvollen Kostüme für den Film wurden von der dänischen Kostümbildnerin Manon Rasmussen entworfen, die unter anderem von Lars von Trier sehr geschätzt wird und Kostüme für dessen Filme „Dancer in the Dark“, „Dogville“ und „Melancholia“ entwarf.
Es lohnt sich, den gesamten Abspann zu gucken, da sich hier noch ein kleines Bonbon versteckt.

 

IMDB: 7 von 10

Letterboxd-Rating: 3.7 von 5                                                                                                      

Hopsy-Rating: 3.5 von 5

 

// HOPSYS GEDANKEN

 

Warum erkranken Frauen sieben Mal häufiger an Magersucht als Männer? Warum ist der Druck auf Frauen so groß, schlank zu sein? Warum stellen sich gerade junge Frauen in sozialen Medien mit „Beauty Filtern“, stark geschminkt und in aufreizend gemeinten Posen dar? Und wer profitiert eigentlich von Schönheitsidealen und weiblichem Konkurrenzdruck? Diesen Fragen geht diese Version der Aschenputtel-Geschichte nach.

Filmkritikerin Sheila O’Malley schreibt auf Roger Ebert: “Es ist in jeder Gesellschaft hart, eine Frau zu sein, wenn es eine Cinderella gibt, mit der sie verglichen werden kann.” Blichfeldts Debüt zeigt auf genuin filmische Weise die Beständigkeit destruktiver Mythen, die Verflechtung von Ökonomie und Begehren sowie die tief verinnerlichte Kontrolle, die durch Schönheitsideale vor allem auf Frauen und durch Frauen ausgeübt wird. Es ist ein alter und bis heute wirksamer Trick der Herrschaft, den Beherrschten das Gefühl zu geben, dass sie nicht gut genug sind, dass sie nur besser, fleißiger, schöner, tapferer, hingebungsvoller sein müssten, um innerhalb der Verhältnisse glücklich zu sein. Dadurch richten die Unterdrückten ihren Frust gegen sich selbst und kommen gar nicht auf die Idee, den Prinzen als das zu sehen, was er ist: ein langweiliges, verächtliches und verwöhntes Arschloch, dessen romantischen Gedichte vermutlich auch heimlich von einer unbezahlten Frau geschrieben worden sind.

 

 

 

 

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