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American Mary

Fieser Fetisch-Film für Freaks   

Kanada 2012

 Regie: Jen und Sylvia Soska                  

 Laufzeit: 103 Minuten

 

Handlung: Mary Mason studiert Medizin. Um den hohen Studienkredit abzubezahlen, sucht sie einen lukrativen Job in einem Stripclub. Anstatt an der Stange zu tanzen, führt Mary gleich am ersten Abend eine geheime OP durch, erhält eine Stange Geld und kommt auf den Geschmack des chirurgischen Operierens im Untergrund. Dann aber fügt ihr jemand großen Schaden zu und sie ist nicht mehr dieselbe.

 

Besprechung: Der Film hat bei vielen Horrorfans einen guten Ruf und ein paar Auszeichnungen auf Genre-Festivals eingeheimst. Auch sind die Bewertungen bei IMDB und letterboxd überdurchschnittlich und die Kritiken größtenteils gut. Leider ist der Film in meinen Augen trotzdem eine Gurke. Um mit dem Positiven zu beginnen: Die Geschichte ist frisch, die Brutalität hinterlässt Eindruck und Score und Soundtrack sind abwechslungsreich und gelungen. Auch bietet „American Mary“ einige starke Bilder und ist sicher kein Film von der Stange. Leider ist er aber überhaupt nicht spannend oder gruselig und wirkt tonal unentschlossen. Ist das eine Satire? Ein Drama? Ein wütender feministischer Aufschrei?

Das größte Problem ist in meinen Augen die Hauptfigur. Nicht dass Katherine Isabelle (bekannt u.a. aus der Ginger-Snaps-Reihe) eine schlechte Schauspielerin wäre, aber die von ihr verkörperte Mary Mason wird für mich nie richtig greifbar und wirkt wie ein Konstrukt, das alles und nichts sein kann: begabte Studentin, naive junge Frau, eiskalte Psychopathin, gestylter Vamp, verstörter Mensch, selbstbewusste Medizinerin, verstörter und selbstzerstörerischer Mensch. Sicher kann man nun behaupten: Das ist ja das Tolle an ihr – sie ist eine neuartige feministische Ikone, die sich Erwartungen und simplen Rollenzuschreibungen widersetzt. Aber für mich funktioniert das (gerade in den Extremen des Films) nicht. Mary wirkt künstlich, die Motive hinter ihren Handlungen werden mir nicht plausibel, der ganze Film verkommt zu einer Aneinanderreihung von Behauptungen und schrägen Szenen ohne fesselnde Dramaturgie.   

Auch thematisch wirkt „American Mary“ gleichzeitig überladen und halbherzig. Geht es um einen Rape-and-Revenge-Film? Eine Kritik am strukturellen Sexismus der Gesellschaft? Um die feministische Aneignung toxischer Männlichkeit? Um das Recht, den eigenen Körper nach Belieben verändern zu lassen, oder um den Irrsinn dieses Wunsches? Womöglich kann man im Filmwissenschafts-Seminar lange über den – in meinen Augen an einigen Stellen wirklich schlecht geschnittenen – Film diskutieren, wird dabei aber aus den Versatzstücken wahrscheinlich mehr rausholen wollen, als tatsächlich drin ist. Den Zwillingsschwestern Jen und Sylvia Soska können meine Unkenrufe allerdings egal sein. Sie haben nach ihrem Debüt „Dead Hooker in a Trunk“ mit „American Mary“ einen weiteren eigenständigen und verstörenden Film geschaffen und sich einen Ruf unter Horrorfans erworben. Mein Fall ist das halt nicht.

 

Trivia: Jen und Sylvia Soska, die schon als Kinder von Horror fasziniert gewesen sind, tauchen im Film als „demon twins from berlin“ auf, die bei Mary eine ganz besondere Operation bestellen. Die meisten der Patient*innen von Mary im Film, sind Menschen, die im realen Leben aus der Body-Modification-Szene stammen.

In mehreren Szenen trägt Mary schwarze Chirurgen-Handschuhe und ein weißes Oberteil unter schwarzer Schürze: Dieser Look erinnert deutlich an die Figur der Asami aus „Audition“, einem Film, der die Soska-Schwestern inspirierte.

„American Mary“ wurde mit geringem Budget in 15 Tagen gedreht. Alle Effekte im Film sind praktische Effekte, wurden also ohne den Einsatz von Computertechnologie erzeugt.

Ein interessantes Interview mit den Soska-Zwillingen findet sich hier.

 

IMDB: 6.5 von 10

Letterboxd-Rating: 3.3 von 5                                                                                                      

Neft-Rating: 2 von 5

 

 

 

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