Gediegener Poe-Lovecraft-Grusel-Mix

• USA 1963
• Regie: Roger Corman
• Laufzeit: 87 Minuten
Handlung: Dem reißerischen deutschen Titel zum Trotz kommt in dem Film weder eine Folterkammer noch ein Hexenjäger vor. Vielmehr erbt der Urahn eines schwarzmagisch orientierten Schlossbesitzers dessen Herrensitz im Fischerort Arkham. Als er zusammen mit seiner Frau zu Besuch kommt, um sich das Gemäuer einmal näher anzusehen, reagieren die Dorfbewohner ablehnend. Zu sehr erinnert sie der fremde Mann an seinen bösen Vorfahren.
Besprechung: Von der Atmosphäre dieses Films könnte ich mich eine Weile ernähren. Die wunderbar entrückten Studiokulissen von „Arkham“ samt
nebelverhangenem Friedhof und baumbestandenen Feldern, das finstere Schloss mit seinen kargen Räumen und dem gewaltigen Kellergewölbe, das Gemälde, das den einst von den Dorfbewohnern gelynchten
Hexer Joseph Curwen abbildet, und natürlich Vincent Price, der hier in einer Doppelrolle auftrumpfen darf – all das ist exquisites Futter für Gothic-Horror-Fans. Darüber hinaus ist „Die
Folterkammer des Hexenjägers“ horrorhistorisch interessant, denn es handelt sich um den ersten Kinofilm nach einer Lovecraft-Geschichte handelt, nämlich die wirklich starke Novelle „Der Fall des
Charles Dexter Ward“. Um das Ganze trotzdem innerhalb von Roger Cormans erfolgreichem Edgar-Allan-Poe-Zyklus zu vermarkten, nannte American International Pictures den Film nach einem Gedicht von
Poe „The Haunted Palace“. Und auch wenn sich der Poebezug von „Die Folterkammer des Hexenjägers“ darin erschöpft, dass am Ende und Anfang des Films je eine Strophe aus eben diesem Gedicht zitiert
wird – von der Ausrichtung her, ist dieses B-Movie mehr Poe als Lovecraft. Nicht das kosmische Grauen und die schleichende Erkenntnis von der lächerlichen Rolle des Menschen im Universum bilden
das Zentrum der Geschichte, sondern ein Ehedrama. Ein freundlicher, sanftmütiger Mann verwandelt sich unter dem Einfluss seiner familiären Vergangenheit in einen kalten Despoten, worunter vor
allem seine Ehefrau zu leiden hat. Während sich Lovecraft für zwischenmenschliche Beziehungen in seinen Geschichten bestenfalls am Rande interessierte, sind sie bei Poe oft sowohl Ursache als
auch Auslöser extremen, destruktiven Verhaltens. So kann man sagen, dass „Die Folterkammer des Hexenjägers“ die dunklen Welten der beiden großen Horrorautoren kombiniert und in die tollen
Farbwelten taucht, mit denen Roger Corman schon in „Die Verfluchten“ begeistern konnte.
Der Ehedrama-Aspekt ist es auch am ehesten, der den Film bis heute inhaltlich interessant macht. Sarkastisch überspitzt könnte man sagen: „Frauen, guckt euch diesen Film an, bevor ihr einen
heterosexuellen Mann im Patriarchat heiratet. Denn dieses Doppel aus dem sanftmütigen Charles Dexter Ward und dem tyrannischen Joseph Curwen ist womöglich das, was ihr euch da (strukturell)
anlacht.“ Schade ist, dass die Frauenfigur im Geiste der Zeit eher passiv ist. Ohne männlichen Beistand kommt sie letztlich nicht zurecht. Und Darstellerin Debra Paget kann auch nicht genug
Charisma entfalten, um der langweilig geschriebenen Rolle doch noch spannende Nuancen abzuringen. Bemängeln kann man auch, dass etliche Szenen recht statisch wirken. Im Pub „The Burning Man“
beispielsweise sitzen Männer einfach rum und schweigen, als wäre man in das Diorama einer Ausstellung über das 19. Jahrhundert geraten. Auch überschreitet die Theatralik von Vincent Price in
meinen Augen mehrmals die Grenze zum Lachhaften. Diese Schwächen werden aber durch die einzigartige Atmosphäre, die tollen Sets, der dramatische Score, die kurzen, aber eindrucksvollen
Horrorsequenzen, Lon Chaney jr. als sinistrer Diener und das facettenreiche Spiel von Vincent Price mehr als ausgeglichen.
Trivia: Das Gedicht „The Haunted Palace“ findet sich in Poes Kurzgeschichte „Der Untergang des Hauses Usher“, die gleichzeitig als Vorlage für
Cormans erste Poe-Adaption herhielt: „The Fall of the House of Usher“, deutscher Titel „Die Verfluchten“ (1960).
Vincent Price und Lon Chaney jr. standen hier zum zweiten und letzten Mal gemeinsam vor der Kamera. Bei dem Film davor handelte es sich um die Horrorkomödie „Abott und Castello treffen
Frankenstein“ (1948). Dort hatte Price allerdings nur eine Rolle als die Stimme des „Unsichtbaren Mannes“.
Chaneys Rolle sollte eigentlich von Boris Karloff verkörpert werden. Der aber zog sich bei den Dreharbeiten zu „Die drei Gesichter der Furcht“ (Mario Bava, 1963) eine Krankheit zugezogen.
Im Film werden Arkham, Cthulhu, Yog-Sothoth und das Necronomicon erwähnt, bei denen es sich jeweils um Erfindungen des Horrorautors H.P. Lovecraft handelt. Der ebenfalls erwähnte Tomas de
Torquemada hingegen war eine historische Persönlichkeit. Torquemada fungierte von 1483 bis zu seinem Tod 1498 als Groß-Inquisitor der Spanischen Inquisition und war berüchtigt für seine
fanatische Verfolgung angeblicher und vermeintlicher Häretiker.
In Deutschland kam der Film erst im Oktober 1969 in die Kinos. Dann aber mit einem besonders reißerischen Titel. In Spanien hingegen kam der Film gleich ins Fernsehen, allerdings erst im Jahr
1976.
IMDB: 6.7 von 10
Letterboxd-Rating: 3.5 von 5
Neft-Rating: 4 von 5
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