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Er kam nur nachts

Schräges Kleinod der Filmgeschichte

USA 1964  

 Regie: William Castle                      

 Laufzeit: 86 Minuten

 

Handlung: Seit ihr eifersüchtiger Mann dem Anschein nach bei einem Laboratoriumsbrand ums Leben gekommen ist, leidet Irene an Alpträumen. Darin begegnen ihr sowohl ihr toter Ehemann als auch ein phantasierter Liebhaber. Bald zweifelt Irene an ihrem Verstand. Hilfe in dem psychischen Ausnahmezustand erhält die Witwe von Barry Moreland, dem Anwalt des Verstorbenen.

 

Besprechung: Das ist ein eigenwilliger Film, der filmhistorisch interessant ist. Regisseur William Castle hatte in den späten 1950ern und frühen 1960ern eine Reihe sehr erfolgreicher Gruselfilme wie „Macabre“, „Das Haus auf dem Geisterhügel“ oder „Schrei, wenn der Tingler kommt“ gedreht. Für „Er kam nur nachts“ setzte er jedoch nicht auf die Gimmicks, für die er bekannt war, sondern inszenierte einen vergleichsweise ruhigen und ernsten Psychothriller mit Horrorelementen. Um an den Kinokassen dennoch für großen Ansturm zu sorgen, setzte er zum einen auf die Stars Barbara Stanwyck und Robert Taylor, die seit ihrer Scheidung hier zum ersten Mal wieder gemeinsam vor der Kamera standen. Und auf ein Drehbuch von Robert Bloch, der seit dem Erfolg von „Psycho“ (1960) ein großer Name in Hollywood war.

Um mit dem Drehbuch anzufangen: Als Romanautor war Bloch begabter, denn als Drehbuchschreiber. Das Skript zu „Er kam nur nachts“ enthält interessante Ideen rund um Eifersucht, persönliche Traumwelten und Schuldgefühle, aber leider auch Logiklöcher und eine nach hinten raus recht handelsübliche Dramaturgie. Anders gesagt: Das Potenzial der Geschichte verläuft im dritten Akt im Sand. Dafür kann der Film mit starken Bildern und atmosphärischen Licht-Schatten-Spielen punkten. Auch der einfallsreiche Score von Vic Mizzy wertet den Film auch, obwohl er mit seinem fast schon drolligen Gitarrenmotiv hin und wieder auch etwas gegen die Stimmung des Films arbeitet.

Barbara Stanwyck ist eine interessante Wahl für die Rolle der Irene, denn sie war zum Zeitpunkt des Drehs bereits 57 Jahre alt. Bis heute dürfte es untypisch sein, eine Frau dieses Alters als jemanden zu inszenieren, die vor allem begehrt und begehrt wird. Auch Robert Taylor als Barry ist mit seinen 53 Jahren älter als der typische Hollywoodheld. Er sieht auch durchaus etwas verlebt, um nicht zu sagen versoffen aus. Leider sind Taylor und Stanwyck in dem Film nicht nur kurios, sondern wirken nicht besonders sympathisch. Die Figur des Barry hat etwas Schmieriges, die Figur der Irene wirkt oft zu passiv und gleichzeitig kühl, um sie wirklich liebenswert zu finden. So habe zumindest ich dem Treiben eher distanziert zugeschaut und mich an der starken Kameraarbeit von Harold E. Stine, den tollen 1960er Universal-Studio-Settings und einer phantastischen Trauungsszene erfreut. Auch die Eröffnungssequenz, in der uns ein Erzähler über die Macht der Träume erzählt, lässt mir das Herz aufgehen: Das waren die 1960er. Einfallsreich, irgendwie cool, aus heutiger Sicht auch manchmal unfreiwillig komisch.

„Er kam nur nachts“ (englischer Originaltitel „The Night Walker“) ist sicher kein Meisterwerk, aber ein filmhistorisches Dokument mit einigen sehr atmosphärischen Szenen und einem ungewöhnlichen Cast.

 

Trivia: Das Filmplakat wurde von „Der Nachtmahr“ inspiriert, das der Schweizer Maler Johann Heinrich Füssli 1781 gemalt hatte.

William Castle hieß eigentlich William Schloss und stammte aus einer jüdischen Familie. Er drehte eine Reihe von B-Movies in verschiedenen Genres, wurde aber vor allem für seine effektvollen Gruselfilme bekannt. Als Produzent war er an Roman Polanskis Meisterwerk „Rosemaries Baby“ beteiligt.

Barbara Stanwyck (*1907) und Robert Taylor (*1911) waren von 1939 bis 1952 verheiratet. Beide hatten vor „Er kam nur nachts“ bereits beeindruckende Karrieren in Hollywood hingelegt.

Dies war der letzte Kinofilm, in dem Barbara Stanwyck mitspielte. Robert Bloch sagte 1993 in einem Interview, dass sie eigentlich eine Fehlbesetzung gewesen sei, da sie eine starke und abgebrühte Person sei, die hier eine ängstliche „damsel in distress“ spielen sollte. Eine jüngere und weniger selbstbewusste Darstellung sei mehr im Sinne des Drehbuchs gewesen. Gleichzeitig sagte Bloch, dass es großartig war, mit Stanwyck zusammenzuarbeiten, die hier gegen ihren Typ besetzt gewesen sei.

 

IMDB: 6.3 von 10

Letterboxd-Rating: 3.2 von 5                                                                                                      

Neft-Rating: 3 von 5

 

 

 

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Steffelowski (Mittwoch, 09 April 2025 08:06)

    „The Tingler“ ist auch so ein filmisches Kabinettstück�

  • #2

    Anselm (Mittwoch, 09 April 2025 09:07)

    Stimmt. Nur original mit Elektroschock im Kinositz! Ich weiß nicht, ob ich den Tingler auch besprechen werde, aber am Freitag geht es um "Das Haus auf dem Geisterhügel" (1959 und 1999).