Der Jahresrückblick 2024

Hier findet ihr Horrorfilme des Kinojahres, die ich gesehen, aber nicht bei Hopsy besprochen habe. Ich fange mit dem in meinen Augen besten Film dieser Rückschau an und arbeite mich zum schlechtesten runter. Viel Spaß!

01

Red Rooms – Zeugin des Bösen

Es ist ziemlich erstaunlich, was der junge Pascal Plante mit seinem ersten Langfilm abliefert: einen fesselnden, eigenständigen Psychothriller, der in keine der Fallen tappt, die eine Geschichte wie diese bereit hält. Die Hauptdarstellerin ist gnadenlos gut, Score und Sounddesign richtig fett und die Zeit, die sich der Film lässt, genau richtig. Der Film zwingt einem keine Interpretation auf. Für mich ist das eine Geschichte über die Entfremdung von der Verbindung mit anderen Menschen, der Natur und einer Arbeit, die sich sinnvoll anfühlt. Also eine Situation, die viele von uns zumindest ein bisschen kennen. Und den Wunsch, den Mangel an Emotionen und Verbindung zu kompensieren. Zum Beispiel mit heftigen True Crime Geschichten. Wir sehen die Welt durch ein Display, nutzerfreundlich vorgefiltert, Geld ist nur eine Ansammlung von Zahlen, den Zusammenhang mit menschlicher Arbeit und menschlichem Leid blenden wir aus. Zugang zu uns selbst, finden wir nur über extreme Darstellungen menschlichen Leids. Usw. Ich mag die Clementine-Figur, aber ich bin mir nicht so sicher, welche Rolle sie hier spielt, und ob ich ihre Charakterentwicklung rundum überzeugend finde. Darüber muss ich noch nachdenken. Und über den ganzen interessanten und intensiven Film. Ein Hoch auf Herrn Plante!

// 4 von 5

 

02

Smile 2

Thilo Gosejohann von "Eine Stunde Horror" nannte den Film in einer Kurzreview eher unspannend, weil man durch Smile 1 ja wisse, wohin die Reise gehe. Christian Finck von "Devils and Demons" bezeichnete Smile 2 auf letterboxd hingegen als "in vielerlei Hinsicht besser als der Vorgänger". Und in meinen Augen haben beide Recht. Tatsächlich bedient sich der zweite Teil im Gruselrepertoire stark am Fundus des Ersten und liefert einen ähnlichen Einblick in den verunsichernden Zustand zerbröckelnder geistiger Gesundheit. Auf der anderen Seite kann man sehen, dass das Budget diesmal höher war und dass wahrscheinlich das Selbstbewusstsein von Regisseur Parker Finn nach dem Erfolg des ersten Teils nicht weniger geworden ist. Außerdem folgt hier nicht wie im ersten Teil auf eine starke erste Hälfte eine etwas abfallende zweite. Vielmehr steigert sich Smile 2 konsequent, was aber auch an einer in meinen Augen weniger fesselnden ersten Hälfte liegt.  Popstar Skye Ryle (Naomi Scott) ist eine Hauptfigur, für die ich eine Zeit brauchte, die es aber im Laufe des Films locker mit der tollen Dr. Rose Cotter aus dem ersten Teil aufnehmen kann. Das Thema "ein Star hinter den Kulissen ist auch nur ein (kaputter) Mensch" ist nicht neu, wird aber frisch und mit Interesse am Stoff umgesetzt. Die praktischen Effekte sind fett, die jumpscares zahlreich (und manchmal wirksam) und die Brutalität ist sowohl in körperlicher als auch in psychologischer Hinsicht heftiger als im durchschnittlichen Blumhouse-Horror. Mit dem Ende bin ich, wie schon in Teil 1, nicht ganz zufrieden, will hier aber nichts verraten. Insgesamt ist Smile 2 sehr wahrscheinlich der bessere Film als Teil 1, aber Smile 1 war eben der Pionier, womit wir wieder bei den Reviews vom Anfang wären.  

// 3.5 von 5 (Tendenz zur 4!)

 

03

Abigal

Hier habe ich meine Affinität zum Ballett entdeckt! 

Ein netter Film, um eine kleine Tänzerin und ihre neuen Freunde, der von einem guten Cast, einem tollen Setting, einem frisch wirkenden Plot und kernigem Splatter lebt. Der Score ist leider generisch, die Logik löchrig und das Finale war mir etwas zu albern. Aber alles in allem hatte ich richtig viel Spaß mit "Abigail". Und ich fand Melissa Barrera im Vergleich zu ihren Auftritten in den beiden Scream-Filmen ziemlich sympathisch (aka hot). 

// 3.5 von 5

 

04 

Strange Darling

Ein ambitionierter Film, der eine ziemlich wilde Geschichte in nicht chronologischer Reihenfolge erzählt und dabei zwischen richtig starken Szenen und prätentiösen Momenten wechselt. Interessant, aber nicht so originell wie er vermutlich gerne wäre. Willa Fitzgerald liefert hier allerdings eine sehr eindrucksvolle Performance.

// 3.5 von 5 

 

05

Sting

Ein sympathischer und warmherziger Film mit einer tollen jugendlichen Hauptdarstellerin und Eltern, die man manchmal knuddeln möchte. Der Spinnenhorror, den Regisseur Kiah Roache-Turner im Video zur Festivalvorführung als "besonders gruselig" angepriesen hat, hält sich allerdings in Grenzen. In Sachen Gekrabbel, Gebeiße, Grusel und Gekröse bewegt sich der Film im erwartbaren Mittelmaß. Positiv aufgefallen sind mir ein paar Alienreferenzen, manch freundlicher Gag, Filmmusik und Kamera. Wer nicht zu viel erwartet, bekommt einen liebenswerten Film mit ein paar Party-Vibes. P.S.: Vom wissenschaftlich interessierten Asiaten hätte ich gerne mehr gesehen: cooler Charakter.

// 3 von 5 

 

06

Oddity

Sehr gute erste Hälfte, coole Atmosphäre, starkes Schauspiel, nette Spannung. Dann wird – wie bei Caveat – die Handlung zu kompliziert, konstruiert und unglaubwürdig, und das Natürliche und das Übernatürliche passen diesmal weniger gut zusammen. Es ist ein Jammer. Eines Tages muss jemand ein anständiges Drehbuch für diesen talentierten Regisseur entwickeln. Aber bitte, Herr Mc Carthy, verwenden Sie nicht zu viele abgenutzte Lauteffekte für Ihre coolen Jumpscares. Hollywood könnte Sie trotzdem einladen. Und ja, ich habe den verdammten Hasen gesehen!

// 3 von 5

 

07

Blink Twice

Einerseits ist das ein Killercast und gerade Naomi Ackie und Channing Tantum sind super. Außerdem ist der Film von Zoe Kravitz frisch inszeniert. Andererseits ist die Geschichte so originell wie ein Kindergeburtstag bei McDonalds und die "Kein-Vergeben"-Moral-von-der-Geschichte auch tendenziell doof. Für mich haben sowohl die komischen als auch die krassen Elemente funktioniert, ob beide zusammen im gleichen Film vorkommen sollten, weiß ich aber nicht. Vorsichtig würde ich sagen: Die Tonalität ist etwas eigen. Und das metoo-Thema wirkte 2017, als der Film gepant wurde, frischer. Da das ein Debüt ist, und durchaus eines das viel Talent zeigt, gebe ich 

P.S.: Guter Score und Songs! Und ich liebe Christian Slater hier.

 

// 3 von 5

 

08

Exhuma

Ich habe nicht alles verstanden in diesem koreanischen Geisterfilm, in dem sich ein drolliges Team mit finsteren Mächten anlegt, aber alles in allem fand ich den Film gut gemacht und interessant, manchmal sogar gruselig. Allerdings fand ich ihn von der Tonalität her ziemlich schwankend zwischen schwerem Anspruchsfilm und leichtfüßigem Popcornkino. „The Wailing“ hat bei mir einen größeren Eindruck hinterlassen. Für koreanische Geisterjäger und Anthropologinnen weltweit ist das aber sicher ein sehenswerter Film.

// 3 von 5 

 

09

Trap: No way out

M. Night Shamalayan präsentiert mit "Trap" eine weitere hanebüchene Räuberpistole und trifft dabei mal wieder in puncto Setting und Thema (bei mir) einen Nerv und in Sachen Plot und Plausibilität meilenweit daneben. Es ist bemerkenswert wie Josh Hartnett (aber auch der restliche Cast) durchaus wacker gegen das bekloppte Drehbuch anspielen. Hartnett kann seiner theoretisch unglaubwürdigen Figur praktisch sogar einige interessante Facetten abgewinnen. Auch habe ich bei diesem Thriller mehr gelacht als bei mancher Komödie und finde es gut, dass Shymalan diesmal auf seinen „philosophischen Tiefsinn“ verzichtet. Ob das eine Empfehlung ist? Jein. Wer sich gerne ausmalt, er wäre ein Serienkiller, der versucht von einem Lady Gaga/Rihanna/Taylor Swift Konzert zu entkommen, aber von einem großen Squadteam und der eigenen Tochter dort festgehalten wird – für den könnte dieser Quatsch genau der richtige Film sein! 

P.S.: Einige dieser Lady Raven Songs sind gar nicht schlecht! Und Saleka, die ja wirklich Sängerin ist, macht das richtig gut, obwohl sie keine Schauspielerin ist.

// 2.5 von 5

 

10

Tarot – Tödliche Prophezeiung

Dieser Film ist so dermaßen generisch, dass man ihn an Filmhochschulen zeigen könnte, um möglichst viele Horrorfilm-Stereotype des 21. Jahrhunderts zu präsentieren. Das hier ist das cineastische Pendant zu Pommes: nicht originell, nicht raffiniert und voller leerer Kalorien. Aber lecker! Gerade für Menschen, die noch frisch im Horrorbusiness sind. Denn die jungen Leute hier nerven nicht, der Humor ist okay und die Figuren aus dem Tarot sind sogar richtig cool. Man kann ja nicht jeden Tag „The Witch“, „Funny Games“ oder „Midsommar“ gucken.

// 2.5. von 5

 

11

Night Swim

Den fanden viele Horrorfans richtig scheiße. Und eine erbärmliche letterboxd-Wertung von 1.7 muss man sich auch erst einmal erarbeiten. Ich aber fand den gar nicht so übel. Zwar ist das letzte Drittel wie so oft das schwächste und stereotypste, und ja, es ist auch ein bisschen kitschig, aber: Die Charaktere sind gut gespielt und sympathisch, optisch hat der Film zumindest gewisse Ambitionen und ein besessener Pool schwappt auch nicht alle Tage auf die Leinwand. Es gibt ein paar tatsächlich gruselige Szenen und leider ein paar weniger gruselige CGI-Geister/Monster/Untote. Mich hat ein Film schon halb gewonnen, wenn eine amerikanische Familie die Hauptrolle spielt, die mir nicht auf den Sack geht. Die hier finde ich sogar richtig süß. Vor allem Elliot, den etwa zehnjährigen Jungen der Wallers. Wer gut gemachte, seichte Gruselfilme schätzt oder noch nicht viele gesehen hat, ist beim Nachtschwimmen gut aufgehoben.

// 2.5 von 5 

 

12

Bagman

Ich habe ein Herz für ccc-Horrorfilme (conventional, competently made, cosy) und finde deswegen Streifen wie "Nightswim" oder "Tarot" nicht scheiße, sondern ernsthaft ganz nett. Das ist manchmal genau das Richtige. Bagman fällt tendenziell in diese Kategorie. Er wirkt nicht billig, die Schauspieler*innen sind solide, der Score ebenfalls und die Settings erzeugen bei mir Wohlgefühl. Das könnte die Adaption einer Stephen-King-Geschichte sein, die man auf Spielfilmlänge gestreckt hat. Leider ist der Film allerdings nicht nur ziemlich blutleer (sicher PG-13), sondern auch lahm. Nach über einer Stunde legt er bestenfalls den Gang ein, den andere Horrorfilme nach 20 Minuten nutzen, um Fahrt aufzunehmen. Auch ist die männliche Hauptfigur eher dröge und sein Kindheitstrauma (ja, echt!) und seine finanziell ausgelöste Midlifecrisis nicht besonders spannend. Ich mag ein paar Szenen, zum Beispiel die mit der Puppe, oder die an der Tür im Appartement der Schwester, oder auch das Vater-Sohn-Bettgespräch in der Rückblende, aber im Ganzen ist der Film einfach mau. Er braucht ewig, um eine dünne Lore aufzubauen, die er dann übererklärt, um sie dann wiederum nicht ernstzunehmen. Ich hätte mir gewünscht, dass mehr Kinder in den Sack gesteckt werden. So bleibt der größte Horror eine Holzflöte in den Fingern eines fidelen Toddlers.

// 2 von 5

 

13

Imaginary

Viele Horrorfilme sind generisch, nicht nur die günstig produzierten Cashcows aus dem Hause Blumfeld. Die Musik schwillt an und bricht dann zum Szenenende plötzlich ab. Familien haben ein Trauma. Kinder sehen unsichtbare Dinge. Mentorinnen tauchen auf. Treppen führen in den Keller. Da waren wir aber längst. Andererseits reicht es manchmal auch völlig, eine nette Wiederkehr des Gleichen zu sehen. Hier sind die Darstellerinnen wirklich okay, die Idee mit den imaginären Freunden gut und die Therapeutinnen-Szene cool und nicht von der Stange. Auf der anderen Seite braucht der Film viel Zeit, um seine übersichtliche Geschichte zu erzählen, hat an der CGI gespart und ist ziemlich zahm. Was mich vor allem stört, ist das „Geisterbahn-für-12jährige-Feeling“ im letzten Drittel. Das Potenzial der Idee wurde nicht genutzt. Der Score ist banaler Hollywood-Streicher-Sound, die Kinematographie zweckdienlich, mehr aber auch nicht. Nicht richtig scheiße, und für einen verkaterten Samstagnachmittag vielleicht sogar das Richtige. Wirklich weiterempfehlen würde ich diesen Film aber nicht.

// 2 von 5

 

14 

Der Seelenfänger

Dieser Film sieht nicht nur aus wie ein öder TV-Krimi. Er ist einer. Ein langweiliger Cop und eine nervtötend arrogante Polizistin ermitteln so vorhersehbar wie dümmlich in einem Plot voller Pseudokonflikte, um einen Mix aus Mensch und Hirschkäfer zu schnappen. Dazu gibt es jede Menge Musik wie aus dem Esoterikladen, viel infodump in den Dialogen und statt Humor pseudoanspruchsvolle Ernsttümelei wie an einer deutschen Theaterschule. Die Themen des Films sind so unangenehm und schwer, wie seine Ausführung abgedroschen und peinlich. Schwer zu glauben, dass sich Julien Maury und Alexandre Bustillo vom großartigen "Inside" über den guten "Livid" und den erträglichen "Leatherface" bis hierhin heruntergewirtschaftet haben. Es gibt ein paar nette Leichen, und 2-3 spannende Momente in nebliger Provinzdorf-Atmosphäre. Wem das reicht: bitte!

// 1.5 von 5

 

 

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