(7. bis 11. Februar City Kino Berlin-Wedding)
Hier noch ein paar weitere Kurzfilme, die mir besonders aufgefallen sind und die allesamt aus der in meinen Augen 2024 sehr starken Kategorie „Folk Horror“ stammen:
Mosquito Lady
• USA 2023
• Regie: Kristine Gerolaga
• Laufzeit: 13 Minuten
Ein philippinisches Teenagermädchen ist ungewollt schwanger. Um sich und ihren Eltern Schande und Mühsal zu ersparen, sucht sie eine Manananggal auf, eine Fötus futternde mystische Wesenheit, die auch als Mosquito Frau bekannt ist.
Manche der Filme (ob lang oder kurz) auf dem FGBFF 9 waren mir nicht Horror genug. Mosquito Lady mit seinem unheimlichen Score, dem finsteren Setting und den heftigen Effekten voller Body Horror war da für mich wie ein erfrischender Sommerregen. Richtig schön fies und finster und mit einer nicht subtilen, aber verdammt wichtigen Message für die ganzen Bigottlinge in Süd, Ost, Nord und West.
Days of Spring
• Niederlande 2023
• Regie: Arianne Hinz
• Laufzeit: 11 Minuten
Das Kontrastprogramm zu Mosquito Lady wurde im gut kuratierten Folk-Horror-Block gleich im Anschluss gezeigt: Ruhige, atmosphärische Bilder zeigen präbuertäre Mädchen, die in weißen Kleidchen über grüne Wiesen tollen und sich immer absonderlichere Spiele ausdenken.
Mit ganz anderen Mitteln als Mosquito Lady beschwört dieser kurze, stilistisch runde Film mit grandiosen Kinderdarstellerinnen eine unheimliche und verstörende Atmosphäre herauf, die das zeitlose des Mitläufertums thematisiert und dabei durch Bilder mehr sagt, als durch Worte üblicherweise möglich ist.
Heirlooms
• Indonesien2023
• Regie: Devina Sofiyanti
• Laufzeit: 17 Minuten
Eine junge Frau wird von ihrem Vater vor der Außenwelt gewarnt, ist aber zu neugierig, um nicht doch auszubrechen. In den Dschungeln stößt sie allerdings auf Pocongs, verhüllte Geisterfiguren, von denen sie schon als Kind gehört hat. Voller Angst flieht sie in die Hütte eines Mannes, der verspricht, sie zu beschützen, wenn sie nur auf ihn hört.
Nein, auch diese Geschichte ist nicht subtil, aber verhandelt eine weltweit bittere Wahrheit über die traditionell geschürten Ängste, die dabei helfen, Frauen zu unterdrücken, damit emotional insgeheim zutiefst abhängige Männer ihre eigene Angst vor Kontrollverlust nicht spüren müssen. Wunderschöne Bilder, harter Stoff und ein großartiges Ende.
A Dire Strait
• Taiwan, USA 2023
• Regie: Lian-Chun Lin
• Laufzeit: 21 Minuten
Eine taiwanesische Frau ist gerade Mutter geworden und wird nun von den Eltern ihres Mannes verhätschelt und versorgt – und komplett entmündigt. Alles ist für die junge Mutter und ihre Rolle traditionell genau vorgezeichnet. Sie wird von einer Persönlichkeit zu einer Funktion reduziert und soll essen, was man ihr vorsetzt.
Alles für das (männliche) Baby, alles für die Familie. Das Tolle an diesem Film ist, dass er seiner sympathischen Hauptfigur nach einigen wirklich schrecklichen Szenen ein ermutigendes und sehr befreiendes Ende gönnt.
A dire strait heißt übrigens „eine schlimme Situation“ und hat hier nichts mit einer britischen Rockband zu tun.
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Das Final Girl Berlin Film Festival 9 war eine gut organisierte Veranstaltung, bei der viele interessante Menschen aus der ganzen Welt zusammengekommen sind, um ihre Leidenschaft für progressives Horrorkino und die befreiende Kraft des Drastischen miteinander zu teilen. Ich habe mich beim Einlass, am Tresen oder im Kino selbst sehr wohl und willkommen geheißen gefühlt und habe die entspannte Atmosphäre genossen. Etwas bedrückend fand ich, dass einige feministische Rednerinnen so wirkten, als gehörten sie zu einer kleinen Gruppe, die mit dem Rücken zur Wand steht. Dass es – und dass nicht nur in der sogenannten 3. Welt – immer noch so viele Angriffe und Herabsetzungen gegen Frauen gibt, die einfach nur Gleichberechtigung fordern, ist wirklich zum Kotzen und sollte dazu motivieren, sie zu unterstützen, wo es nur geht. In meinen Augen gewinnen dabei am Ende alle.
Ich bedanke mich herzlich bei den Menschen, die das Festival organisiert haben, den Filmschaffenden, die mit ihren Beiträgen unterhalten und inspirieren konnten, und den Frauen, die Workshops angeboten haben. So konnte man auf dem Festival mit Carlota Pérez Ortiz und Leticia Quirós Collagen zu den eigenen Träumen und Alpträumen anfertigen, mit Susie Kahlich lernen, wie man sich verteidigt wie eine ausgebuffte Vampirkillerin, sich mit A.K. Espada in Production Design für Indie Horror versuchen oder mit dey non-binären Ariel Baska etwas tiefer in die Kunst eintauchen, ein Video-Essay zu machen. Dazu gab es Vorträge und Talks zu so interessanten Themen wie „kotzende Frauen in Horrorfilmen“ oder „trans Ängste im digitalen Horror“.
Danke auch an Maren, Nefeli, Felix, Simon, Alexandra, Georg, Ivy und Patrick, mit denen ich auf dem Festival (und rundherum) Zeit verbringen konnte.
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