Final Girls Berlin Film Festival (Teil 2)

(7. bis 11. Februar City Kino Berlin-Wedding)

 

Neben den Langfilmen wurden auf dem FGBFF vor allem Kurzfilme gezeigt. Dabei hat das Festival bereits seit Längerem Kategorien entwickelt, in denen jeweils mehrere der kurzen Filme präsentiert werden: Close to Home, Midnight, Family Horror, Queer Horror, Tech Horror, Folk Horror und eine Kategorie, die sich auf alte Menschen fokussiert – Horror Hags. Diesmal kamen noch fünf neue Kategorien dazu: Workplace Horror, Eco Horror, Absurd & Surreal, Body Politics und Le Petit Mort, einem Format, in dem sich Horror und Porno mischen und das vom Berliner Porn Film Fest mitpräsentiert wurde. 

 

Kurzfilme sind in der Regel erste Visitenkarten, die meist junge Regisseurinnen abgeben, um sich für größere Projekte zu empfehlen. Man kann das mit den Demos vergleichen, die Bands an Plattenfirmen schicken. Man darf also keine hohen Budgets, professionellen Produktionsbedingungen und erstklassige Schauspieler*innen erwarten. Umso erstaunlicher fand ich, dass viele der Kurzfilme keineswegs amateurhaft wirkten und teilweise mit fettem Score und saftigen Effekten aufwarten konnten. Hier meine Lieblinge:

 

 

Lamb

• Irland 2022

• Regie: Sinéad O´Loughlin

• Laufzeit: 15 Minuten

 

Eine junge Frau mit Baby bekommt in ihrem Haus auf dem Land Besuch von einem fremden Mann. Sie weiß nicht, was er in ihrem Haus will, versucht aber freundlich zu bleiben, auch als sie merkt, dass irgendetwas mit dem Typen nicht stimmt.

 

Dieser kurze Film aus der Kategorie Family Horror hat uns die Schuhe ausgezogen. Was für eine bedrohliche Atmosphäre, was für eine Spannung! Éanna Hardwick als undurchsichtiger Kerl ist schlicht sensationell, Aoife Duffin als junge Mutter immerhin okay. Auch das Baby spielt gut… ;o). Der Score der Band „Die Hexen“ wird sparsam und effektiv genutzt. Das Ende bietet Raum für Interpretationen. Die Länge des Films ist genau richtig. 

 

Aber kennen wir den Stoff des bedrohlichen Mannes und der bedrohten Frau nicht aus hunderten von Filmen von Männern? Bietet dieser Kurzfilm irgendetwas Neues? Ich würde sagen, es sind die Details. Die Grenzüberschreitungen und die Reaktionen darauf sind minutiös durchdacht und psychologisch so stimmig, dass ich mehr denn je nachempfinden konnte, wie es sein muss, als Frau in einer Welt voller potentiell gewalttätiger Männer zu leben.

 

 

Said of a Deer That's Shot Its Antlers

• Belgien 2023

• Regie: Salomé Crickx

• Laufzeit: 20 Minuten

 

Hinter dem sonderbaren Titel verbirgt sich kein prätentiöser Arthouse-Film, sondern eine schwarzhumorige Groteske über ein Fest in der belgischen Wallachei, bei dem alte Menschen getötet werden. Sie müssen allerdings freiwillig einstimmen, was viele tun. Aber nicht alle. 

 

Der Film besticht durch tolles Timing, Konsequenz und gute Darsteller*innen, die in der kurzen Zeit ein breites Spektrum an Charakteren aufmachen. Auch gibt es ein cooles Folklore-Lied und genug Härte, um das Ganze nicht zu sehr in Richtung Feel-Good-Film driften zu lassen.

 

 

Smooth

• USA 2023

• Regie: Sepand Mashiahof

• Laufzeit: 20 Minuten

 

Nachdem eine trans-Frau von einem Stalker abgelehnt wird, weil er sie zu behaart findet, versinkt diese in einem wahnhaften Zustand zwischen Selbsthass und Körperfixierung und beginnt, sich zu modifizieren. 

 

Dieser sehr experimentelle Film der iranisch-amerikanischen trans-Filmemacherin Sepand (Sepi) Mashiahof ist eine Attacke auf die Sinne. Der dissonante Score brettert mit einer Lautstärke, dass allein das schon Horror genug wäre. Dazu kommen viele jumpcuts, die das Gefühl vermitteln, in einem Blitzlichtgewitter zu stehen. Mashiahof spielt auch die Hauptrolle in dem Film und bringt die Verstörung über den eigenen Körper durch den internalisierten Blick der anderen für mich sehr überzeugend rüber. Der Film ist lang und anstrengend, ich fand ihn aber lohnend, da ich ein tieferes Gespür für den Horror bekommen habe, nicht in dem Körper zu leben, den man haben will oder den die anderen wollen, das man ihn hat, und die Schwierigkeit den eigenen Blick von dem des Umfelds zu trennen. Der Körper wird so zu einem Schicksal, dem man nur mit drastischen Maßnahmen entkommen kann. Hart.

 

 

Glory Hole

• Vereinigtes Königreich 2023

• Regie: Hiram Harrington

• Laufzeit: 17 Minuten

 

Zwei schwule Männer (einer cis- und einer trans-) arbeiten offensichtlich in einem Nachtclub hinter einem Glory Hole. Der eine will den Mann kastrieren, von dem er glaubt, vergewaltigt worden zu sein. Dafür hat er eine große Schere mitgebracht und versucht anhand der durchs Glory Hole gesteckten Penisse seinen Peiniger zu erkennen. 

 

Der Film im schäbigen Digitalkamera-Look verbreitet eine schmutzige und hoffnungsarme Atmosphäre voller Wut und Selbsthass, und lässt die Zerstörungskraft einer Vergewaltigung in Bezug auf das eigene Selbstbild erahnen. Die akustischen Einblendungen einer Therapiesitzung, in der das Trauma bearbeitet werden soll, erhöhen die Komplexität dieses unangenehmen Films. Nachher in der Kneipe „Drehmoment“ haben wir diskutiert, ob die Penisse im Film echt oder gut gebaute Modelle gewesen sind. Meine Meinung: Sowohl als auch!

 

Hiram Harrington war beim Festival anwesend und erklärte, eigene Erlebnisse verarbeitet zu haben. Harrington, der extrem sympathisch und friedlich wirkte, sagte, als trans-Mensch habe man eine Wut in sich, die andere nicht verstehen könnten. Hirams Weg mit dem Trauma eines sexuellen Übergriffs fertig zu werden, sei die kreative Auseinandersetzung durch das Medium Film. 

 

***

 

Der Queer-Horror-Kurzfilm-Block am Freitagabend um 21 Uhr war sehr gut besucht und das Kino so gut wie ausverkauft. Viele trans- und non-binäre Menschen waren gekommen. Die Stimmung war sehr gut und angenehm inklusiv für cis Heten wie mich. Ich denke, ich habe ein bisschen besser verstanden, wie wichtig sichere Räume für Menschen sind, die sich sehr oft nicht sicher sein können, wie man ihnen begegnet. 

 

Morgen will ich in einem dritten Teil vier weitere Kurzfilme vorstellen und noch ein wenig mehr über das Festival berichten.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0